Some Kind of Love

Der Wesir reiste oft. So oft und lange, dass Isydia an manchen Tage vergaß, dass sie nun seine Frau war. Seine erste Frau.

Eine der Sonderstellungen, die sie vor der Heirat mit ihm ausgehandelt hatte, war ihn nicht auf seine Reisen begleiten zu müssen. Schlichtweg konnte und wollte sie ihre eigenen Geschäfte in Belhanka nicht  lange ohne Führung zurück lassen. Und für sein körperliches Wohl würde sein Schwarm an Mätressen, oder Harem…wie er es nannte Sorge tragen. Isydia interessierte sich nicht dafür. Ein Teil des Abkommens war, dass sie  ihrem Angetrauten beizeiten einen Erben schenkte,  der im horasischen Reich anerkannt sein würde. Ein Stand, welcher für den Wesir unerreichbar war –  und den er auch nicht durch die Heirat mit der Grandsignora erreicht hatte. Der Spross allerdings, der dieser Verbindung irgendwann entwüchse, wäre ein fester Bestandteil der hiessigen Gesellschaft.

Dieses Mal jedoch war er auf dem Weg nach Al Anfa und ließ nach seiner Frau schicken. Die Verhandlungen, die er mit einem dort ansässigen Don zu führen wünschte machten eine Person von Stand notwendig, der man ohne zu fragen den notwendigen Respekt entgegen brachte. Und weil die Heirat eine geschäftliche politische Bindung war deren Sprossen gepflegt werden wollte, übertrug Isy ihre Geschäfte auf Andre und den geschätzten Onkel und trat die Reise an.  Wie stets auch diesmal in Begleitung ihrer Geliebten Cailyn und ihrer Zofe Mireia, begleitet von vier tulamidischen Schwertkämpfern die stets grimmig blickend nie viel sprachen. Diese dienten zum Schutze.

Isydia hegte schon lange bevor sie es rausfand den Verdacht, dass ihr Mann seine zweifelhaften Fähigkeiten der Beherrschung auf diese Soldaten gewirkt hatte. Mannen die sich vermutlich ohne zu zögern vor Isydia geworfen hätten..im Fall der Fälle.

Als die kleine Reisegesellschaft nach einigen Tagen auf die Zeltkarawane des Wesirs trafen, hatte Isydia ihren Gatten bereits seit 3 Götterläufen nicht mehr gesehen. War er ihr ohnehin noch nie vertraut, schien er ihr ungleich fremder als jemals zuvor. Wie es sich gehörte, erwartete er sie vor seinem Zelt und begrüßte sie mit herzlichen Worten. Das erfüllend, was erwartet wurde. Er half ihr vom Pferde und sie küssten sich auf die Wangen, als Zeichen der Vertrautheit. Er begrüßte auch Cailyn mit Küssen auf die Wangen, die nach all der Zeit noch immer die größten Probleme mit der Umstellung hatte. Obwohl Jafar niemals gefordert hatte Cailyn solle das Schlafzimmer seiner Ehefrau verlassen. Geschweige denn aus deren Hause ziehen. Dennoch verblieb sie unzufrieden, wenn er irgend in der Nähe war.

Jafar lud die Damen ein zur Abendgesellschaft im tulamidischen Stile, an welcher auch  ein Vertreter eines Grandes aus Al’Anfa teilnehmen würde. Sie sollten sich frisch und hübsch machen. Er hatte Landestypische Kleidung für die Damen bereitstellen lassen. So wie er es Cailyn gegenüber auf dem Fest auf dem Jagdschloss Fagio bereits einmal angesprochen hatte. Farbenfrohe Gewänder, aus leichten und schweren Stoffen…durchsichtig ohne zuviel Preis zu geben…mit Gold Applikationen. Isydia nahm es Wortlos entgegen.

Da der Vertreter des Grandes im Lager des Wesirs übernachten würde, teilte man Cailyn und Mireia in ein eigenes Zelt und Isydia erhielt den ihren an der Seite ihres Mannes. Das prachtvollste aller Zelte im Lager. Gefüllt mit wertvollen Teppichen..verhangen mit glänzenden Stoffen…verziert mit einer Unmenge an Kissen. Doch gab es auch einen Tisch …und ein Bett…Dorthin zog sie sich zurück und nutzte die Gelegenheit die Jafar ihr zum Gefallen zur Verfügung gestellt hatte. Einen hölzernen Badezuber. Ein wahrer Luxus bedachte man den Aufwand, den man betreiben musste um während einer Reise ein warmes Bad zu nehmen. Es dauerte auch nicht all zu lange, da kamen Cailyn und Mireia zu ihr ins Zelt gehuscht.

„…Oh…du hast eine Wanne….“ Stellte Cailyn nicht ohne Neid in der Stimme fest. „…und das Wasser dampft….“

„Wünscht die Herrin zu baden?“ fragte Mireia und sah sich schon im Raum um, ob möglicher Utensillien wie Badeöle oder salze. Tüchter zum trockenen danach und Schwämme zum reiben während dessen….und fand alles fein säuberlich auf einer kleinen Kommode gerichtet nicht unweit der Wanne – genug für zwei badende.

Die Frage, ob der Wesir dieses für sich und seine Frau oder für seine Frau und deren Geliebte hatte richten lassen kam nicht über ihre Lippen. Für Cailyn jedenfalls schien die Antwort klar.

„Ja…wünscht sie Mireia! Und ich auch..“ Und bevor die Grandsignora ihre Meinung hätte mitteilen können, war Cailyn schon da…küsste den Hals der nun verheirateten Frau und machte sich an den Bändern ihres Kleides zu schaffen. Im ersten Augenblick reagierte Isydia nicht, wie so oft und noch schlimmer seit sie verheiratet war….doch Cailyn hatte schon immer die Begabung über die Laune ihrer Geliebten hinweg zu tun, was ihr richtig schien und behielt für gewöhnlich recht. Ihre kühlen Hände schlichen sich unter den Rock des Kleides und hoben es über Isydias Kopf…nur um den Leib darunter liebevoll zu ertasten.

„Sag ja…wir wollen baden…“ flüsterte sie an die Ältere geschmiegt und das warme Raunen in ihrer Stimme erweckte Isydia zum Leben. Sie wendete sich um, halbnackt wie sie schon war und lächelte die Frau mit den feuerroten Haaren vor sich an.

„…ja…wir wollen baden…wenn es dich nur glücklich macht meine Liebe.“ Die Antwort war ein heiteres Kichern und ein hektisches aus den eigenen Kleider wuseln, das unweigerlich ein weiteres Lächeln in Isydias Gesicht malte. Mireia stellte einen Schemel bereit, mit welchem die beiden Damen ins heisse Wasser steigen konnten und wenig später hörte man von der Hitze gezeichnetes wohliges Seufzen.

„Hast du die Kleider schon angesehen, die _dein Mann_ uns gegeben hat.“ Der leise Vorwurf verging im restlichen fröhlichen Geplapper. „…es gibt da ein Kleid in dunkelblauer Seide…das hervorragend zu meiner Haarfarbe passt. Ich bin sicher, ich werde in diesen Kleider aussehen, wie eine tulamidische Prinzessin. Isydia hielt wortlos ihre Hand aus dem Zuber in welcher unmittelbar daraufhin ein Kelch mit Wein landete. Mireia musste nur mehr wenige Fragen stellen, ob den Dingen welche die Herrin von ihr verlangte, nach einem Schluck von dem Roten schüttelte sie ihren Kopf.

„Ich denke nicht, dass ich mich halbnackt präsentieren werde“ erwiderte sie und nahm sich einen der Schwämme um den Sand von ihren Armen zu reiben.

„Die meisten Rajah Geweihten haben weniger an. Die Schleier sind wunderschön und geheimnisvoll, du würdest wundervoll darin aussehen. Tu ihm doch den Gefallen…schließlich gibt er sich hier alle Mühe um es uns schön einzurichten….“ Mireia hielt wohlweislich den Mund.

Isydia schüttelte ihren Kopf und warf ein:

„Seit wann hälst du zu dem Wesir…ich dachte immer unsere Heirat wäre dir ein Dorn im Auge.“

„Ist es auch…“ erwiderte Cailyn und schmiegte sich im heissen Wasser an den Leib ihrer Geliebten bis nur noch wenige Zentimeter ihre Gesichter trennten. „Es ist mir zuwider, dass er dich ‚meine Frau‘ nennen darf und dass du irgendwann sein Kind tragen wirst und dass er nun ein Teil deines Leben ist…“ Ein zarter Kuss folgte den Isydia nicht ganz unbeteiligt geschehen ließ, daraufhin zog sich Cailyn wieder auf ihre Seite zurück.

„…aber…es könnte schlimmer sein. Er ist gutaussehend..also…charismatisch in jedem Fall und charmant und interessant und er beschenkt und beehrt dich wo immer er kann. Ich denke er liebt dich wirklich…“

Bis zu den letzten Worten hatte Isydia einen nachdenklichen Gesichtsausdruck aufgelegt, dann jedoch löste sich ein ernsthaft amüsiertes Lachen  aus ihrer Kehle.

„Der  Wesir liebt mich so wenig, wie ich ihn Cailyn. Unsere Verbindung ist rein geschäftlicher Natur und war nie anders geplant….aber du hast Recht. Vielleicht tu ich ihm Unrecht. Ich werde mich heute Abend bemühen nett zu ihm zu sein…“

„…und eines der  Kleider tragen?“ bohrte Cailyn nach.

„…wir wollen es nicht zu weit treiben…“ erwiderte Isy nur.

 

 

Zum Sonnenuntergang traf sich die Gesellschaft im großen Zelt in dessen Mitte ein kleines Feuer loderte und den ohnehin in rot gehaltenen Raum noch mehr Feuer verlieh. Teppiche am Boden hielten den Staub von den baren Füßen fern, auf kleinen runden Tischen standen Wasserpfeifen und Kelche mit Getränken.  Frauen mit Karaffan liefen umher, eine schöner als die andere und in einer Ecke des Zeltes spielte ein älterer Mann auf einem seltsamen Instrument, dass gezupft werden wollte und entlockte ihm fremd anmutenden Töne. Auf Messing farbenen Tellern lagen kleine Köstlichkeiten. Trauben. Trockenfleisch.  Honiggebäck. Am hinteren Ende saß Jafar mit zwei Männern, die ähnlich dunkel gekleidet waren wie er. Andere Fremde im Zelt waren verteilt an den Tischen und unterhielten sich leise.

Als man sich gewahr wurde, das Isydia mit ihrer Gesellschaft das Zelt betrat verstummten die Gespräche. Die Gäste erhoben sich…nur um sich vor der Grand Signora angemessen tief zu verneigen. In dieser Zeit trat sie näher, gekleidet in ein helles Kleid, dass ein wenig zuviel von ihren Schultern preis gab und doch angemessen Sittsam war. Schlicht in sich, aber schön. Das Haar von einem  Perlenbesetzten Netz verhüllt.  Auch Mireia war dem Beispiel ihrer Herrin gefolgt und hatte auf die angebotene Kleidung verzichtet, obgleich ihr Anblick in grün sehenswert war, blieb der Blick Jafars einzig an Cailyn hängen, die wie vorhergesagt, in dem Kleid aus dunkler Seide, verhüllt von Schleiern eine Schönheit besonderer Art darstellte.

„Guten Abend edelgeborene Grandsignora…..es freut uns eure Bekanntschaft zu machen.“ Eröffneten die Gäste das Wort und erhoben sich wieder. „Gestattet, dass wir uns vorstellen. Mein Name ist Don Callio Ballurat ein Vertreter des Hauses Wilmaan zu Al’Anfa und dass ist mein Schreier Nesro…“ Und eine erneute, fast übertriebene Verbeugung folgte.

Isydia lächelte freundlich, aber nicht warmherzig und reichte ihre Hand zum Kuss mit den Worten.

„Isydia ada Bosvanie .. Grandsignora zu Belhanka und getreue Ehefrau des hochgeborenen Wesirs Jafar zu Fasar….die schöne Frau zu meiner rechten ist meine Gesellschafterin Cailyn von Liliengrund-Adelquell“ Eine Geste verwies auf die Rothaarige, die den Wesir wie hypnotisiert ansah….erst als sie begriff, dass die Rede von ihr war, sah sie auf und knickste höfliche.

„Und meine Zofe Mireia…….die Freude meine Herren…ist ganz auf meiner Seite.“

Die Herren warteten, bis Isydia sich ihren Platz neben Jafar gesucht hatte, in dessen türkisen Augen ein gewissern Unmut mitschwang…und bis sie sich gesetzt hatte. Dann erst ließen sie sich selbst nieder. Wie auf einen unausgesprochenen Befehl schwärmten die Damen in Karaffen näher und während diese die Gäste verwöhnten beugte sie Jafar näher zu Isydia, ohne den Blick von der Runde zu nehmen, flüsterte er ihr leise zu.

„Gefallen euch die Kleider nicht, welche ich für euch vorbereiten ließ?“

Und Isydia kam ihm entgegen, ein weiches Lächeln auf den Lippen, als tauschte sie Zärtlichkeiten mit ihrem Gatten. Auch ihr Blick wich nicht von der Runde, als sie antwortete.

„..sie sind wunderschön mein geschätzter Gatte.“

„Und..nun denn…warum ist eure Gesellschafterin die Einzige, welche ich in diesen Kleidern bewundern darf..?“

Schweigen…einige Sekunden lang. Wein plätscherte aus einem Krug in einen Kelch und eine Bedienstete fütterte den Don mit einer prallen Traube, die..wie er verkündete…köstlich war. Isydia lehnte ihren Kopf sacht an die Schläfe ihres Gattens…ihre Augen schlossen sich und jeder der die Beiden betrachtete müsste vermuten, es wäre eine Geste der tiefen Zuneigung. Ihre Stimme war nur mehr ein flüstern, als sie ihm sagte:

„Weil ich euch nie…niemals mehr zugestehen werde, als das…was wir vertraglich regelten…“

Seine  Nasenflügel weiteten sich im ersten Augenblick, als käme gleich die Wut über ihn….Isydia löste sich schon  und als sie ihn anblickte fand sie statt einer wutverzerrten Mimik  ein amüsiertes Lächeln auf seinen Lippen.

„Nie…ist eine lange Zeit… meine _geliebte_  Frau…“ erklärte er vielsagend und die Finger seiner rechten Hand legten sich einer um den anderen um den gläsernen Skorpion, welcher am Ende seines Stabes prangerte.

Isydia betrachtete das Spiel der Finger, suchte seinen Blick den sie frei erwiderte, obwohl sie doch um seine Fähigkeiten wusste….und lächelte sanft.

„Nie…ist die letzte  Erkenntnis einer verdorrten Hoffnung mein _geliebter_ Mann“

Seine Linke löste sich von seinem Stab und legte sich auf ihre Hand, die zwischen ihm und ihr auf dem Diwan ruhte.

„Nie…“ sprach der Don. „…ist der größte Feind eines guten Geschäfts“ Und lachte und  Jafar fiel mit seinem dünnen Lächeln mit ein. Isydia neigte zustimmend ihren Kopf gen Gast und Mireia schüttete etwas von Jafars Gewürzwein ein, den er stets mit einem Hauch Rauschgurke verbesserte.

Der Abend verlief wie gewünscht. Das geschäftliche wich bald dem feiern und die Tulamiden hatten eine eigene sehr reizvolle Art des Feierns…geprägt von Gesang und verführerischen Tänzen…geschwängert von Gerüchen…Gewürze und Düfte von Blumen oder Leckereien. Eine Bauchtänzerin zog die Blicke aller Männer auf sich und als Cailyn sich irgendwann erhob,allen Hemmungen zum Trotz und sich zum Takt der Musik bewegte verstummten die Gespräche ein weiteres Mal. Auch wenn ihre Hüften nicht jene seltsam anmutende Bewegungsfreiheit aufwiesen, lag in ihrem Tanz eine Mischung von unschuldiger Verführung, von der man kaum den Blick abzuwenden vermochte.

Jafar rauchte an einer Wasserpfeife und beobachtete den Verlauf des Abends, bis auf die  ein oder andere Bemerkung schweigend und seine Frau saß bei ihm und hielt es ganz ähnlich. Beide tranken den Gewürzwein, aber nicht übermäßig viel. Beide sogen den kühlen Rauch in ihre Lungen und kosteten dann und wann von den Süßigkeiten die gereicht wurden. Jafars Fingerspitzen strichen versonnen über Isydias Handrücken, als er Cailyn bei ihrem Tanz betrachtete und beugte sich erneut zu ihr mit den leisen Worten.

„Vielleicht sollte ich deine Geliebte davon…._überzeugen_ das Bett mit mir, anstatt mit dir zu teilen….“sprachs und sodann schoben sich seine langen schlanken Finger mit schlangenhafter Eleganz zwischen die ihren. Sie wusste wohl was er meinte. Er sprach nicht von Verführung, nicht im hinlänglichen Sinne….es war die Macht, die in ihm schlummerte, jeden in seinem Umfeld seinen Willen aufzwingen zu können.  „….das ..interessante daran wäre, dass es ihr danach bewusst wäre…sie könnte sich an …alles….erinnern…jedes Stück nackte Haut, dass sie nur all zu gern auf meinen Leib gelegt haben wird…“

Isydias Lippen verschmälerten sich und die Hand, in welche er sich hineingezwängt hatte schloss sich leicht und  nahm damit seine Finger zwischen ihren  gefangen. Ihr Blick lang auf Cailyn deren rotes Haar zu einem eigenen Lied tanzte…verführerisch….wunderschön und die blauen Augen ihrer Geliebten lagen auf ihrem Mann, als stünde sie schon lange unter seinem Bann und auch er sah sie an. Weiterhin zu seiner Frau flüsternd…wie er so Händchen hielt…mit ihr.

„….sie ist so schön…reif wie eine rote Beere…..ich glaube….es würde ihr gefallen, mir zu erliegen…..was…denkt ihr?“ Und mit dieser Frage löste er sich von dem Anblick Cailyns und schenkte seine Aufmerksamkeit der Frau an seiner Seite. Isydia verweilte noch einen Augenblick auf dem Anblick der schönen jungen Frau vor ihr….nachdenklich…ihre Hand lockerte sich und gäbe die seine frei, wenn er sie zu sich nehmen wollte. Dann wandte sie sich ihm zu. In ihrem Antlitz war kein Harm zu finden…keine verborgene Emotionen….nur dieser Abgrund in ihren dunklen Augen in den er nicht hinein zu blicken vermochte. Dieser Abgrund war es gewesen, derentwegen er Isydia überhaupt näher zur Kenntnis genommen hatte. Vielleicht sogar der Grund, weswegen er den Entschluss gefasst hatte sie zu seiner ersten Frau zu machen. In dem Schwarz ihrer Augen spiegelte sich das Stück seiner Seele, auf das er nie wirklich Zugriff erlangt hatte. Obwohl fast alles an ihr dem entsprach, was man im horasisches Reich gemeinhin von einer Grandsignora erwarten durfte, schwang in ihrem Blick und…manchmal in ihren Worten eine Melodie, die ihm gleichsam vertraut war wie unangenehm. Dieser Abgrund sah ihn an und flüsterte ihm die Worte.

„Es ist mir einerlei Jafar….wenn sie dir gefällt…pflück sie…“ Und das was ihm….ausgerechnet ihm dabei Schauer über den Leib trieb, war der Klang in ihren Worten, der mit Gewissheit davon sprach, dass sie nicht bluffte. Dass es die Wahrheit war. Es war ihr einerlei.

Wissend, das Cailyn mehr als ein halbes Leben an Isydias Seite war…die erste und einzige  Frau in ihrem Leben, wie sie in einem schwachen besonderem Moment gestanden hatte. Wo Isydia war, war Cailyn nicht weit…eine Partnerschaft die schon lange anhielt..länger als die meisten Heiratsverträge. Und dennoch konnte sie so etwas sagen.

„Hm…“ erwiderte er …in gewisser Weise enttäuscht und entzog sich ihr um ein weiteres Mal an der Wasserpfeife zu ziehen. Einige Gäste hatten sich bereits zur Nachtruhe begeben. Mireia war in einem aufgeweckten Gespräch mit dem Schreiber Nesro versunken und Cailyn bezauberte offenbar den Don selbst mit ihrer glockenklaren Art und Weise. Lange hatte er geschwiegen, dann legte er erneut seine Hand auf die ihre und lächelte sie an.

„Lass mich dir ein wenig vorlesen….“ Wohl wissend, wie sehr sie dies genoss, egal wie sehr sie es nicht aussprach. Sie hatte unzweifelhaft eine Schwäche für seine Stimme und er nutze diese Schwäche für sich, wenn sie..aus welchen Gründen auch immer verstimmt war. Und obgleich ihr dies wohl klar war, verneinte sie sein Angebot nie.

Nie.

So nickte sie und nahm sich einen weiteren Schluck vom Gewürzwein…einen größeren, der sie in die Kissen zurück sinken ließ und ihre Augen sich schließen. Während eine seiner Frauen das Buch brachte, aus welchem er vorzulesen pflegte. Und dann las er und seine Stimme drängte ihr alles andere in den Hintergrund… Sie hörte nicht, wie die Zofe sich verabschiedete oder wie Cailyn sich auf einen nächtlichen Spaziergang einließ. Oder wie die Geräusche im Zelt langsam weniger wurden. Sie erfasste nur das Timbre seiner Stimme, dass sich in ihren Verstand schlich wie der Wüstensand jedes Kleidungsstück zu durchdringen vermochte. Als er schließlich endete war es still im Zelt. Nur das Feuer knisterte leise vor sich hin – ansonsten gab es da niemanden mehr. Nur Jafar und Isydia. Beinahe mühsam öffnete sie ihre Augen und in dem halbdunkel des abgebrannten Feuers schienen ihre Pupillen ungleich größer. Leise klang ihre Stimme.

„Ich liebe deine Stimme…“ Die Worte in ihrer weichen Einfachheit ließen ihn aufmerken und wie von einem Magnete angezogen legte sich sein türkiesener Blick suchend auf ihr Antlitz. Und Isydia, deren Lippen offenbar gesprochen hatten bevor sie die Worte dazu bedacht hatte schloss die Augen um ihm die Sicht auf ihre Seele zu verwehren. Ihre Hände zogen sich zusammen, als hätte sie einen fatalen Fehler begangen. Einen Fehler, den er umgehend aufgriff.

„Du….liebst…..meine Stimme“ wiederholte er…nicht ohne dem Worte ‚liebst‘ angemessen viel Unglaube zu verleihen….doch nicht nur…es lag auch eine leise Frage darin.

Isydia schüttelte nur ihren Kopf…blinzelte ein paar Mal, atmete ein und wieder aus und schüttelte nochmals den Kopf bevor sie ihn wieder ansah.

„Ich hör euch gern beim Vorlesen zu…was euch durchweg bekannt ist Jafar.“ Erwiderte sie und klang nicht so hart, wie sie es eigentlich hätte klingen lassen wollen.

Sein Kopf hob sich, als wollte er ‚ah ja‘ sagen, doch er sprach nicht. Stattdessen suchte er seine Hand auf die Ihre zu legen, doch sie entzog sich ihm, bevor er sie berührt hatte.

„ Es wird Zeit für mich…“ erklärte sie ihm und erhob sich umgehend. Seine Lippen verschmälerten sich kurz, dann stand auch er auf, legte seine Hand an ihren Arm, sie in diesem Zuge davon abhaltend sich einfach abzuwenden und zu gehen. Fest war sein Griff. So fest, dass sie erstaunt hinab zu seiner Hand blickte und wieder zu ihm.

„Da ihr…mir nichts zu gewähren gedenkt, was wir nicht vertraglich regelten..“ begann er und sein Blick hatte eben jene stechende Note, die ihr sofort an ihm aufgefallen war. Seine Stimme klang bestimmt. „….wann gedenkt ihr..mir meinen Erben zu schenken.“

Ihre Stirn legte sich in Falten, als verstünde sie im ersten Augenblick nicht wirklich auf was er hinaus wollte, dann schürzten sich ihre Lippen und sie schüttelte ihren Kopf.

„Heute Nacht mühten wir uns umsonst…._geliebter_ Mann. Die richtige Zeit um euch einen Erben zu schenken ist der Neumond….“sprachs und machte Anstalten sich von ihm zu lösen, doch er verstärkte seinen Griff und sie bemerkte zum erstenmal, wieviel Kraft in den langen Fingern lag.

„….also wollt ihr euch euren vertraglichen Pflichten entziehen…das Bett mit mir zu teilen, bis ihr mir einen Erben gebärt.“ Schneidend  klang er und anstatt dass sie versuchte sich weiter loszulösen, wandte sie sich ihm nun näher zu, seinen Blick suchend.

„…ich…werde euch einen Erben schenken Jafar. Ich werde das Bett mit euch teilen. Nur heute Nacht nicht.“ Bedächtig sprach sie, fast schon fürsorglich. Seine Augen hingegen verengten sich und er schüttelte seinen Kopf.

„Mein _geliebtes_ Weib….ihr schuldet mir nun schon fast 7 Götterläufe die erste gemeinsame Nacht…hier und heute fordere ich sie ein….es ist mir gleich, ob eure Schoß heut Nacht zu erblühen vermag oder nicht.“

Ihre Augen weiteten sich…ein wenig wie Wut, sie beugte sich noch einen Tick näher zu ihm. Konfrontation heraufbeschwörend. Ihre Stimme klang tiefer und schneidender, als die erwiderte.

„Und warum…._ge_lieb_ter Mann….wenn ihr denn nun schon sieben Götterläufe wartet…müsst ihr ausgerechnet heute Nacht euer Recht  so unbedingt einfordern und könnt nicht noch eine weitere Woche warten…?“

Er erwiderte ihren wütenden Blick und ein dünnes Lächeln schmierte sich auf seine Lippen, als er ganz leise und fern jeglichen Zornes antwortete.

„Weil ihr es heute Nacht…so unbedingt….nicht wollt.“

Isydia sog die Luft durch die Nase ein…bereit aller Götter Flüche auf ihn hinabzubeschwören…und ward mittendrin von aller Kraft verlassen. Es war so einfach. Er erfühlte mit untäuschbarem Instinkt, die Schwäche, die heute Nacht von ihr Besitz ergriffen hatte. Vielleicht dem Gewürzwein geschuldet. Vielleicht dem stetig andauernden stummen Kampf zwischen ihm und ihr. Sie atmete aus. Ihre Schultern senkten sich und sie nickte…wissend, dass er sie nicht ausließe..wie ein Wolf nicht von der blutigen Fährte ließ.

„Dann gewährt mir nur fünf Augenblicke allein. Geht voraus ins Gemach…ich komme nach….“ Ein leise Hoffnung malend. Die Gelegenheit ein wenig ihrer Disziplin aus sich heraus zu holen, um sich zu wappnen, doch  er schüttelte seinen Kopf.

„Nie….ist die letzte Erkenntnis der verdorrten Hoffnung meine Liebe…“ bediente er sich ihrer Worte und ließ seine Hand an ihrem Arm hinab bis in ihre Hand gleiten, welche er umfasste, um sie daran schweigend mit in sein Zelt zu nehmen. Er geleitete sie hinein und ließ sie so denn los, den schweren Teppich vor den Eingang hinablassend, so dass jeder wüsste, dass er nun nicht mehr wünschte gestört zu werden.

Ohne sie erneut zu ergreifen, ging er an ihr vorbei und ließ sich in seinem Bette nieder, wie ein Pascha…seitlich gedreht..ein Bein angewinkelt..auf einen Arm gelehnt. Sein Stab hatte er neben sich auf das Bett gelegt. Sein Blick lag unverwandt auf Isydia, die da….eben stand und ihn nur stumm mit Blicken verfolgte, als wäre sie noch nie zuvor mit einem Mann allein gewesen. Er lächelte und formulierte eine auffordernde Geste. Wortlos . Und Isydia blickte an sich hinab, als wäre sie unschlüssig wie anzufangen wäre. Doch bevor sie sich entscheiden hätte können, flossen aus dem Schatten der Zeltwände zwei Dienerinnen…oder vielleicht..zwei seiner Mätressen? Dies zu unterscheiden war nicht so einfach. Die kleinen kühlen fremden Finger griffen nach Schnürungen und Ärmeln. Befreiten das Haar vom Netz und rafften den Rock und während die Grand Signora noch nicht richtig begriff was geschah, befand sie sich nur noch gekleidete von ihrem eigenen Haar in dem Zelt ihres Mannes stehend, der sie unverwandt  ansah…so wie man etwas betrachtete…das einem gehörte. Mit einem gewissen Stolz. Mit einer gewissen Zufriedenheit: Mit….mehr.

Isydias Leib war in voller Blüte, kurz vor dem Zeitpunkt an welchem sie begönne zu vergehen in ihrer Schönheit. Sicherlich hatte Jafar in seinem Harem Frauen deren Leiber schöner waren….deren Brüste sich noch reckten wie stolze Ritter und deren Haut so glatt spannte wie die einer Traube.  Die Frau die er jetzt betrachtete…ihre Haut sah weich aus, die Rundungen vollkommen, dafür geschaffen von Männerhand nachgezeichnet zu werden. Die Knospen ihrer Brüste lugten zwischen den schwarzen Strähnen hindurch, als wollten sie vorwitzig sehen, was um sie herum geschah. Hatte er darauf gehofft Isydia ob ihrer Nacktheit beschämt zu finden, sähe er sich enttäuscht. Sie stand in ihrer Blöße nicht weniger stolz, als in ihren Kleidern. Selbstbewusst. Sich ihrer bewusst und, wenn er es vergessen hätte, fiele ihm bestimmt ein, dass eine Frau deren beste Freundin eine Rahja Geweihte war  ganz gewiss keine Scheu vor Körperlichkeiten kannte.

Augenblicke vergingen, in welchen er sie nur ansah und sie zurück blickte. Es kam nur ein einziges Wort über seine Lippen, ohne dass er diejenigen an die es gerichtet war mit Aufmerksamkeit bedacht hätte.

„Geht.“ Der Befehl darin war unmissverständlich und die beiden Frauen verschwanden umgehend aus der Realität des Zeltes und da dies geschehen war, gestattet er sich ein weiteres Wort. Weicher als das erste.

„Komm..“verlangte er und seinem Wunsch folgend setzte sie sich in Bewegung und nichts von dem was sie tat blieb von ihm unbetrachtet. Ein wenig, wie Cailyn ihn zuvor angesehen hatte. Ähnlich und doch ganz anders. Neben dem Bett blieb sie stehen…in seinem Rücken, wenn man so wollte und er machte sich die Mühe und drehte sich zu ihr um. Sie sah hinab zu ihm….strich mit Blicken über seine Gestalt bis sie wieder bei seinen Augen angelangte und  sprach…mit einer eigenwilligen Melodie die ihn unweigerlich an Zauberwirker erinnerte. Obgleich ihm bewusst war, das Isydia keine Magie in sich trug…zumindest keine….ihm bekannte? Ihre wenigen Worte drangen in ihn…unaufhaltsam.

„Nun will ich ….in dieser Nacht….dein liebend Weib sein….ich bin dein und du bist mein…“

Und mit diesen Worten sank sie neben dem Bett auf die Knie und er folgte ihrem Tun mit dem türkisen Augenmerk. Aufrecht neben ihm kniend, machte er keine Anstalten sich ihr zu nähern. Als wollte er ihr die Gelegenheit lassen, es sich anders zu überlegen. Doch in ihren dunklen Augen lag die verschwommene Schwäche, die er sonst nicht an ihr kannte. Sie versteckte den Abgrund nicht…es war wie eine weitere Frau im gleichen Moment, am gleichen Ort und beide beugten sich zur gleichen Zeit vor und legten ihre Lippen auf die seinen…warm und voll und süß. Ganz anders, als die ordentlichen Küsse, die sie bisher gewährte. Es überraschte ihn nicht und doch bemerkte er, wie seine Lippen sich öffneten um mehr von ihr zum empfangen. Und seiner stummen Bitte folgend schob sich ihre Zunge…feucht und wendig in seinen Mund, als wäre es ihr ureigenes Recht dort zu sein und spornte im selben Zuge seine Männlichkeit an, sich ihr entgegen zu recken. Zu seinem Verdruss, hatte es doch zu seinem Plan gehört, sich ihr vorzuenthalten….sie an ihrer Weiblichkeit zweifeln zu lassen. Ihr Mühe abzuverlangen, bevor er in Betracht hatte ziehen wollen, tatsächlich die erste Nacht zu begehen. Doch sein Körper verriet ihn, in der ersten Sekunde was ihm ein Rätsel sein wollte, denn er war in Allen Situation der Herr. Derjenige, welcher die Kontrolle sein eigenen nannte…derjenige..

Ihre Hand stahl sich zwischen die Falten seines Gewandes, nur um mit ihren kühlen Finger zum umfassen, was sich in ihre Hände fügen  wollte. Jede Berührung ihrer Fingerspitzen auf seiner Haut, ließen diese kribbeln und er schüttelte den Kopf, weil ein Teil von ihm nicht verstehen wollte, was hier geschah. Sein Kopf suchte nach Selbstkontrolle…doch ihre Lippen an seinen küssten sie hinweg und was noch über blieb verlor sich in der schon fast zarten Bewegung ihrer Hand. Als ob es noch Mühe bedurft hätte ihn für sie bereit zu machen. Etwas in ihm erzählte ihm davon, dass es sich anfühlte wie sein erstes Erlebnis in den Fängen einer Droge.  Und eine stille Erleichterung machte sich in ihm breit. Gewiss hatte sie ihre Lippen benetzt, mit einem leisen Gift, das ihm alle Kontrolle nahm und während er dies dachte, fühlte er ihren Körper unter seiner Hand, wie er ihre Kontur berührte und ihn dabei ein wohliger Schauer erfasste. So gut ..so richtig….so wie ein Rauschmittel sein musste. Und nun wissend, dass es nicht seine fehlende Disziplin war, sondern ein Trick von seinem Weibe gab er sich den Gefühlen hin. Erwiderte ihr Küssen. Wandte sich, um ihr zu helfen sich von dem Stoff seiner Kleidung zu befreien. Er hörte ein leises Stöhnen von seinen Lippen, dass sich in ihr Atmen mischte auf so tiefe unanständige Weise, dass er glaubte für Wochen nie wieder Ruhe empfinden zu können. Sie kroch über ihn und er in sie….verworren zwischen den Kissen und den Fellen, war sie alles, was er zu fühlen fähig war. Ihre Worte flossen wieder und wieder durch seinen Leib.

[i] Ich bin dein und du bist mein[/i] und in diesem Rausch schien es ihm überdeutlich, dass es genau so war.Wahr.

Jafar verlor den Anfang und das Ende schlich sich an, …verwob sich mit einem Traum und floss gänzlich in diesem. So  dass er irgendwann nicht mehr wusste, ob er sich noch immer mit ihr durch die Nacht wand oder ob es nur noch der Traum von ihr war, der Besitzt von ihm ergriffen hatte. Ein zweimal erwachte er im Halbschlaf und fühlte ihren nackten Leib an seinem und ein seltsamer Schmerz machte sich daran ihn zu ergreifen und verlor sich wieder in dem wiederkehrenden Schlaf.

Irgendwann erwachte er und fand sich allein auf seinem Bett. Sein Bein schmerzte ungleich mehr, als sonst. Draußen war das Lager schon in stetige Betriebsamkeit  erfasst. Sie nicht neben sich liegen zu haben, entfachte eine unbändige Wut in ihm, bis e sich darüber gewahr wurde, was dazu geführt hatte. Die perfide List eines Weibes. Er hatte sie unterschätz. Obgleich ihm nicht einfielen wollte, welches Gift ihn so hätte berauschen können, war sein Körper doch mehr, als viele andere daran gewohnt. Und auch erschloss sich ihm letzten Endes nicht ganz ihre Motivation und auch nicht…wann sie denn Zeit gehabt hätte das Gift aufzutragen. Außer….sie hätte den Plan schon bei weitem früher geschmiedet und er hätte in jedem Wort nur das getan, was sie von ihm gewollt hätte.

Die Vorstellung manipuliert zu sein, wie ein junger unerfahrener Mann, machte ihn wütend und…..weil er so ein beherrschter Mann war….lächelte er und zog sich in aller Seelenruhe an. Er würde warten und sich revanchieren.

Und während Jafar in seinem Zelt finstere Pläne schmiedete, lag Isydia in Cailyns Zelt…gehüllt in dem Kleid der letzten Nacht und starrte  an die Decke des Zeltes. Eine Hand auf ihrem Bauch mit seltsamen Blick….Mireia saß neben ihr und wirkte besorgt. Keine Erinnerung daran, wann sie ihre Herrin jemals so gesehen hatte.

Irgendwann klang Isydias Stimme leise aber keinen Widerspruch duldend.

„Bring mir Salbei und Rosmarin…Arnika und Sadebaum…“ Mireia schwieg…..schwieg….presste die Lippen zusammen und die Worte die sich lösen wollten dahinter fest..dann stand sie auf und tat wie ihr geheißen.

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Kurzgeschichten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.