Der Kuss meines Gottes

Wie seltsam dieser Tag doch ist!“ Ich stand in dem Garten meiner Mutter und sog die Luft in tiefen Zügen in mich ein. An Tagen wie diesem zog es mich wie magisch nach draussen. Es war als hätte die Welt einen ganz eigenen Geruch entwickelt um ein besonderes Ereignis, das bevorstand anzukündigen. Und heute war es für mich bestimmt. Es war keine Fantasie oder Vermutung. Alles um mich herum schien mir diese eine Botschaft zu vermitteln. „Heute bist du es! Heute wird es wahr!“ Ich huschte in meine Wohnung zurück, duschte und zog mir das Kleid an, dass ich für gewöhnlich bei meinen selbsterfundenen Ritualen trug. Ich war verliebt in alles was Mystisch und zauberhaft war und versuchte mein Leben so zu gestalten, dass es sich von dem alltäglichen grau in grau abhob.

Aufgeregt wie eine junge Braut vor der Hochzeitsnacht machte ich mich auf den Weg in die Au. Der Wald an der Isar, die nicht unweit von meinem Haus floss. In diesem Wald hatte ich viele der kleinen Erlebnisse gehabt, die mich davon überzeugt hatten, dass es mehr geben mußte als das, was wir auf den ersten Blich wahrnehmen konnten. Nichts kurioses, aber auffällig genug um mich zu beflügeln. Ich lauschte den Geräuschen, die um mich waren. Schon verblüffend. Diese Ruhe war beschwingender als jedes Lied. Als ich an der kleinen Kapelle angelangt war hielt ich inne. Der Zugang zu meinem Alten Weg war schon fast zugewachsen.

Da hast du’s „ sagte ich zu mir selbst, „So lang warst du schon nicht mehr hier!“ und schlug mich ins Gebüsch.

Die Zweige griffen begeistert nach meinen Haaren. Natürlich. Aber anstatt an ihnen zu zerren, mich zurückzuhalten und zu schikanieren,war es wie ein sanftes Streicheln. Wie die Konkurbinen eines großen Scheichs ,die die Neue Frau streichelten um sie zu beruhigen. Als ob ich Angst hätte. Ich, die seid bestimmt….na auf alle Fälle ziemlich viel Zeit,mir nichts mehr Wünsche als dieses Erlebnis. Die Besonderheit, die mir beweißt das ich recht hatte. Es gibt …mehr.

Der Weg führte mich durch das hohe Gras an dem kleinen Teich vorbei. Es gab unmengen von dieses Teichen hier in der Au. Doch man mußte schon wissen wo sie waren, um sie zu finden. Hier hatte ich früher oft Trainiert. Angestachelt von diversen Kampfsportfilmen, in denen stets der held, zu traumhafter Musik in der freien Natur seine Übungen absolvierte. Zu meinem Leidwesen hatte ich sehr schnell festgestellt, daß Hartgummimatten immernoch angenehmer waren als spontan hervorstehende Wurzelstümpfe, die bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatten. Der Teich war kein blühendes Paradies. Er stand bestimmt schon kurz vorm umkippen. Doch den Geruch den er verbreitete war derselbe, wie früher. Seltsam Algig, vielleicht etwas modrig, aber nicht unangenehm. Hier entlang zu gehen war fast wie ein Blick in die Vergangenheit. Ich lächlete und mein ganzes Herz füllte sich mit Freude. Die Welt war zauberhaft. So wie ich sie mir wünschte. Voll zauberrei. In meiner Begeisterung beschloss ich, das letzte Stück barfuss zu laufen, so dass meine Füsse in die Erde unserer Mutter Natur versinken konnten. Es war schon 9 Uhr Abends und die Sonne stand immer noch am Himmel, eine wohlige Wärme verbreitend. Sommersonnwend halt. Ich dachte an einige Bücher die ich gelesen hatte, über Frauen die mit der Natur im Einklang lebten und sich zu Sommersonnwend hingaben. Viel Mysterie, viel zauberhaft, genau richtig für mich. Wieder musste ich grinsen. Ich tauchte meine Hände in die Erde und hob eine Hand voll aus um daran zu riechen. Es roch nach Erde…doch ein klein wenig roch es auch nach Gras…blüten…betörenden Kräutern, die meinen Geist in Visionen….na ja, es roch gut.

Getrieben von diesem Drang, dass HEUTE dieser Tag war, kletterte ich durch das etwas dichtere Gehölz. Auch wenn der Wald sehr liebevoll mit mir umging, konnter er es dennoch nicht lassen und fügte mir zwei ,drei kleinere Kratzwunden zu. Doch in Anbetracht dessen, was mir bevorstand war es in meinen Augen völlig in Ordnung. Die Natur kostete ein paar Tropfen meines Blutes, dafür durfte ich heute derart intensiv leben und fühlen. Das war schon gut so.

Als ich vor der kleinen Anhöhe stand, die ich noch erklimmen mußte , bevor ich meine Lichtung erreichen würde, stellte ich fest, dass von dort oben eine leichte Rauchschwade davonzog. Einen Augenblick später konnte ich es schon riechen. Da brannte ein Feuer. Auf MEINER Lichtung. Die sonst Niemand kannte. Promt war ich verärgert. Mein Tag. Mein Erlebnis und Meine Lichtung. Da passte kein Fremder dazu, der in meiner Geschichte Feuer machte. Ich machte mir sorgen, das meine Chance auf eine ‚Zauberrei‘ damit vertan war. Entschlossen dem Ganzen auf den Grund zu gehen schlich ich auf einem kleinen Umweg nach oben und näherte mich leise meinem Ziel.

Dann erstarrte ich. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob das nicht doch alles ein Traum oder so war.

Auf der Lichtung brannte ein kleines Lagerfeuer. Fein säuberlich von einigen großen Steinen eingesäumt. Davor kniete ein Mann mit geschlossenen Augen. Durch die aufsteigende Dämmerung spiegelte sich der Schein des Feuers in seinem Gesicht und seinem Oberkörper, der unbedeckt war. Überall auf der Lichtung steckten im Gras Räucherstäbchen die ein betörenden Geruch verströmten. Ich musste Schlucken. Dieses Bild…Mein Blick fiel auf den Talismann, der um seinen Hals hing, er glich den meinen.

Er griff in ein kleines Beutelchen und streute ein Pulver in das Feuer, das mit einem Brunzeln antwortet, so als wollte es sich bedanken. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Er schien mir wunder schön. Die Ruhe die er aussrahlte. Die Erhabenheit, die in den Dingen lag, die er tat. Er war….pefekt.

Es musste wohl ein Gott sein. Bei diesem Gedanken stiegen mir beinah Freundentränen in die Augen. Es war irgendwie ein Schock. So wie…wie wenn man verzweifelt das Auto sucht, das man auf diesem Parkplatz abgestellt hat und es nicht findet.Und irgenwann trifft einen die Erkenntnis, das es wohl gestohlen sein muß. Man kann es nicht glauben und doch ist es Wirlichkeit. Und genauso ging es mir in diesem Moment. Ich sah ihn dort stehen, einen Gott, und konnte es nicht glauben. Es konnte nicht wahr sein. Denn junge Männer setzten sich nicht allein im Nirgendwo an ein Lagerfeuer und tun…ja was eigentlich. Absurd. Ich machte mir schon ernsthaft Gedanken, ob ich meinen Sinnen wirklich trauen sollte, als er mich bemerkte. ER runzelte die Stirn und stellte den Kopf schief. Ich fühlte mich ertappt. Ertappt von meiner eigenen Fantasie. Blödsinn.

Ich machte einen Schritt auf die Lichtung. Es waren bestimmn noch 5 Meter bis zu dem Feuer, aber ich konnte dessen Wärme schon spüren.. Ich überlegte was ich sagen sollte, aber was sagte man zu einem Gott??? Also schwieg ich. ER erhob sich und kam mir einen Schritt entgegen. Langsam musterte er mich, von oben bis unten. Mit einem Blick der mir durch und durch ging. Einen Moment war mir, als wollte er etwas sagen, aber auch er schwieg. Da standen wir nun. Beide im Scheine des Feuer umgeben von diesem Geruch, und sahen uns schweigend an. Mein Gott und ich. Ich wollte etwas tun, doch ich wagte nicht, mich ihm weiter zu nähern, aus Angst er könnte verschwinden. Ohne meinen Blick von seinen Augen zu lassen kniete ich zu Boden – und senkte dann den Blick. Ich hörte wie er näher kam, einmal um mich herum schlich und sich dann mir direkt gegen über ebenfalls hinkniete.. Es verging einige Zeit, dann berührte seine Hand mein Kinn um es ein wenig anzuheben. Eine derart sanfte Berührung hatte ich noch nie erlebt. Ich sah ihn an und konnte in seinen Augen lesen.

Faszination.

Neugier.

Unglaube??? Schien mir fast.

Und Verlangen. Aber nicht diese Art, die ich fürchtete, die so verletztend und unpersönlich war. Kein Verlangen nach meinem Körper, sondern nach mir. Ich hielt die luft an. Eine Hitzewelle die noch heisser war als das Feuer neben uns durchfuhr meinen Körper. ER wollte MICH. Und ich konnte noch etwas anderes in seinen Augen lesen.

Ehrfurcht.

Er würde mich niemals gegen meinen Willen berühren. Mein Körper war heilig und er wusste es. Und würdigte es.. Und als ich das erkannte, wusste ich, was ich wollte. Ich wollte einmal in meinem Leben einen Gott lieben. Da er es nicht wagen würde mir zu Nahe zu treten, musste ich diejenige sein die …

Es kam mir vor wie einer meiner klein Mädchen Träume. Ich beugte mich vor. Ganz langsam. Mein Blicke wechselten von seinen Augen, auf seine Lippen und wieder zurück. Um zu sehen ob er protestierte. Seine Lippen öffneten sich einen Spalt und diese kleine Geste seines Willsens sich nicht zu wehren, erregte mich mehr, als alles was ich je zuvor erlebt hatte.

Der Kuss…war…atemberauben. Vorsichtig am Anfang. Seinen Lippen schmeckten so süß…. Ein Zittern lief durch seinen Körper und dieses zittern ließ mich ebenfalls erschaudern.. Ich wollte ihn. Berühren. Verschlingen Fühlen..

Er ließ von mir ab , hielt meinen Kopf in beiden Händen und sah mich an. Sein Atem ging schnell, wie der meinige. Wir sahen uns an und es war wie ein Sog. Ich ließ mich fallen und zog ihn mit mir. Er lag auf mir und ich spürte seine Erektion. Ein schönens Versprechen. Er beugte sich zu mir um mich abermals zu küssen, wie noch weitere hundert mal.

Es war wie in meinen Büchern. Wir liebten uns zur Sommersonnwend, im Wald, an einem Feuer und ich wollte nie mehr woanders sein, ausser hier. Ich fühlte mich eins mit ihm und den Dingen um uns herum. Der Schönste aller Zauber. Irgendwann schlief ich in seinen Armen ein. Wirklich glücklich.

Als ich erwachte war es schon wieder hell. Ich rechnete schon fast damit, allein zu sein. Aber er lag neben mir, hielt mich im arm und streichelte mein Haar. Ich war verwirrt. Wiso war er nicht verschwunden. Träume sind für die Nacht, nicht für den Tag…

Wiso bist du noch da?“ fragte ich zögerlich.

Dasselbe wollte ich dich gerade fragen. Ich dachte…du mußt wohl ein Nymphchen sein.“ Erwiederte er. „ Und versc hwinden wenn der Tag anbricht. Ich bin wach geblieben, damit du nicht heimlich gehen kannst.“

Ich dachte du mußt wohl ein Gott sein…!“

Ich sah ihm in die Augen.Kein Gott also. Aber seltsamer Weise war ich nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil.

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