Tag X

So recht sicher bin ich mir nicht warum ich hier steh.
Ich glotze aus dem Fenster auf die vorbeifahrenden S-Bahnen und in der Spiegelung der Scheibe sehe ich mein eigenes Gesicht. Es langweilt mich.
Ich langweil mich
Mein Leben langweilt mich.
Alles, wirklich alles läuft wie ich es will. Natürlich, ich habs durchschaut. Aber Perfektion hat seine eigene Form von Folter. Wie oft hab ich schon meine Stimme angehoben und die Mächte – wer im Endeffekt das auch immer sein will – angefleht mich lebendig zu machen.
Ich bin ein Statist in meinem eigenen Film und das Drehbuch ist so erbärmlich öde.
Wieder eine vorbeifahrende Bahn. Spiegelungen der Straßenlaternen tanzen auf der gläsernen Oberfläche. Tanzen…ja tanzen macht mich glücklich. Vielleicht geh ich  noch tanzen, wenn ich heute nochmal fertig werde mit dem niederstarren der Gleise.
Ein Mann bleibt hinter mir stehen und betrachtet mich. Ich rolle gedanklich die Augen und mache mir nicht die Mühe mich umzudrehen und wie erwartet wendet er sich ab und verschwindet. Einmal, einmal in meinem Leben möchte ich wirklich fühlen. Aus dieser tauben Wirklichkeit entfliehen und dem nachgehen wofür ich geschaffen wurde. Aus irgendeinem Grund muss es mich ja geben. Ich bin doch nicht nur da um dieses Leben hinter mich zu bringe. Manchmal bin ich mir dessen so sicher. Und danach bleibt nur wieder die Leere – weil wie immer nichts geschehen ist. Wie immer. Immer.
Ich lasse mich zu einem theatralischen Seufzen hinreissen.
Etwas ändert sich.
Fast so als würde ich von einer Sekunde auf die andere in einem Gewitter stehen. Mein Körper kribbelt irgendwie. Ich höre auf das hinter der scheibe zu fixieren und sehe neben meinem Gesicht ein anderes im Fenster. Eine Frau. Sie ist seltsam blass als wäre sie krank.
    “Na so allein? “ sagt sie. “Was wichtiges zu tun?” Und sie blickt raus auf die Lichter in der Nacht um zu sehen nach was ich  ausblick halte. Ihre Stimme ist ruhig, irgendwie angenehm. Ich lächle unwillkürlich und schüttelt dann meinen Kopf.
    “Nein ich..ähm…steh nur und guck raus” Enorm geistreich Anna. Als ob sie dass nicht selbst gesehen hätte.
    “Willst du mitkommen? Ich habe gehört in der Stadt wäre was los…heute”
Ja klar will ich. Ich nicke und frage mich nichtmal warum mir dass so normal erscheint. Ich geh ja mit jedem Menschen mit der mich so anspricht. Altes Hobby von mir. Sie greift in Ihre Tasche und lässt ein Stück von einer Semmel fallen.
???????
Sie bemerkt meinen doch verwunderten Blick und lächelt geheimnisvoll.
    “ Ich will den Weg zurück nicht verlieren.”beantwortet sie meine ungestelle Frage.
Ich muss sie immerzu anstarren. Katinka heisst sie.
Rein in die S-Bahn.
Raus aus der S-Bahn.
Treppen rauf rüber runter.
Wir treffen auf eine Dame aus Wien. Ein Gruft. Ich sehs gleich. Ich kenn diese Menschen schon aus diversen Diskotheken. Wir reden über Gott und die Welt. Katinka sagt mein Name – Toth – käme ihr bekannt vor.
Innerlich lache ich. Der Tod kommt ihr bekannt vor hm?
Obwohl sie, mir kommt es so vor, ein Auge darauf hat mich ins Gespräch miteinzubeziehen habe ich manchmal den Verdacht wir reden über zweierlei Dinge. Oder scheint es mir nur so?
Diese, gott was für ein Name, Vendariel hat eine Art Worte zu betonen dass sie ganz anders klingen. Aber Vendariel interssiert mich nicht. Katinka interessiert mich.
Noch jemand. Thomas?
Völlig absurd.
Wir laufen Quer durch München und sammeln wahl los leute. Wobei ich das Wahllos nicht unterschreiben würde. Aber ich erkennen keinen Zusammenhang. Noch nicht.
Ich laufe wie auf Watte. An irgendeiner Kirche bleiben wir stehen. Katinka spricht mit Vendariel über essen gehen. Keine schlechte Idee. Aber warum hab ich schon wieder das Gefühl wir reden nicht über das gleiche? Wie paranoid.
Doch, ich will es garnicht glauben – es geht noch doller.
Nachdem sie aus mir unerfindlichen Gründen mit einem wildfremden Mann rumgeknutsch hat wirkt sie seltsam zufrieden, fast lebhafter, aber ich finde es passt nicht zu ihr. Andereseits kenn ich sie ja nicht. Oder? Deswegen lauf ich ihr auch schon seit zwei stunden nach.
Ich bin mir nicht ganz sicher ob ich dass alles nicht doch nur träume. Es will so garnicht zu mir passen. Schließlich erreichen wir eine offene Halle am Ende der Prinzregenten Straße. Weiss der Teufel wie die heisst. Dort sind andere die zu uns gehören. Ich weiss es schon bevor sie beginnt mir Namen zu nennen. Die Leute sind mir unheimlich. Ihre Augen blicken mich anders an.
    “Dass ist Anna, Anna das ist Malekin” Katinka schiebt mich ein wenig zurecht und ich blicke den Kerle vor mir groß an. Malekin. Steht das nicht auf dem Buch dass sie die ganze zeit mit sich rumschleppt?
    “Schön die wieder zu sehen” lächelt er und ich denk mir noch : Was will denn der von mir. Doch bevor ich mein Unverständnis Ausdruck verleihen kann spricht er weiter. “Wir kennen und doch…oder nicht?” Und auf einmal bin ich mir nicht mehr sicher dass ich ihn nicht kenne. Ich blicke mich unsicher nach ihr um. Sie ist die einzige die mir nicht unheimlich erscheint. Was tät sie wohl sagen wenn ich ihre ganzen über die stadt verstreuten Brotkumen wieder eingesammelt hätte?
Dinge werden gesprochen die ich nicht so recht verstehe. Ich nehms mal so hin. Warum auch nicht. Wir gehen in ein Kaffee. Sie an meiner Seite. Glücklicher weise. Ich vertraue ihr. Sie ist so wundervoll menschlich und lebendig. Die Gespräche am Tisch sind komisch. Da kommt noch ein Kerl der uns fotographiert. Dann läuft er weg. Dann wird er wiedergebracht.
Er sagt, er sagt nichts. Dann sagt er aber doch was und mir sollte es eigentlich zu dumm werden. So ne Posse.
Aber in ihrer Nähe will ich bleiben.
Wir sitzen zu…ich weiss nicht wievielt.und trinken lecker heisse schokolade …
…aber irgendwie bin ich die einzige der das zu schmecken scheint.

Ich erwache am nächsten Morgen und frage mich ob ich gestern wirklich in München war. Ob ich sie wirklich gesehen habe
Und ich erinnere mich an eine Frage.
    “Kannst du dir vorstellen mehr Zeit mit uns zu verbringen?”
Und ich erinnere mich das meine antwort ja war und mich begleitet das Gefühl einen Pakt mit dem Teufel unterschrieben zu haben. Aber ich habe nichts unterschrieben.
Eine Einladung zu einer Party von Malekin.
Kann man von einem Traum aus eine Einladung schicken?
Ich schüttle die Gedanken von mir ab.
Katinka. Wenn sie dort ist werde ich auch dort sein, mir scheint fast als würde sie meinem Leben mehr Sinn geben als alles andere davor.

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