Things

22.10.2002
 
Ich stehe an der riesigen Fensterfront meiner Wohnküche und stiere raus in die Nacht. Meine Hand liegt auf der kühlen Scheibe, als wäre es wichtig für mich zu fühlen, dass sie wirklich da ist.
Kontakt.
Die letzten Tage, waren…sehr ruhig für mich. Hatte ein wenig Frieden.  Die Nacht in den Armen dieses Fremden, hatte etwas bereinigendes. Bis Heute, bin ich jeden Tag in der Früh aufgestanden. Hab mich um Normalität bemüht, aber ich weiß, dass ich diese Nacht nicht schlafen kann. Dass ich erst zu Bett gehen werde, wenn die Sonne wieder aufgeht. Es wird Zeit. Dieses alte Leben, ist nicht mehr als ein Traum. Ich wünschte mir – damals – aus diesem Film zu erwachen. Mehr zu fühlen, als dieses Alltägliche, welches mich nie berührte. Echte Gefühle. Leben.
Da muss ich trocken Lachen. Anna Toth findet die Erfüllung ihres Lebens im Tod.
How Bizarr!
Georg ist…oft…sehr oft in meiner Nähe, doch was ich am Anfang noch misstrauisch beäugte, scheint mir jetzt schon völlig normal. Ich vermute, er hat..von…weiß Gott wem, den Auftrag bekommen, auf mich zu achten. Oder hat er sich selbst den Auftrag erteilt? Egal… Ich sorge mich zumindest nicht… Ganz im Gegenteil, die Vorstellung, dass mir der gewisse Sohn, eines gewissens Brujahs auf die Pelle rücken könnte, beruhigt mich wirklich. Dem ist das völlig egal, dass ich wie Katinka sein will. Sein Muss. Georgs Gegenwart, gibt mir…ein wenig Sicherheit.
(Obwohl du nicht weiß, was ER eigentlich will?)
Der Vollmond, der keiner mehr ist, leuchtet vorwitzig in mein Zimmer – taucht alles in dieses seltsam unwirkliche Licht. Wie auf einem Gemälde. Die Mondscheinsonate.
Der Clan des Mondes.
(Sie wissen doch was man ihrem Clan nachsagt?)
Mondenkind.
Katinka.
Ein sehnsüchtiges Ziehen in mir. Mein Herz schmerzt mich. Mio, oh mein Mio. Freising.
Garnicht weit von mir. Eine halbe Stunde mit dem Auto. 15 Minuten mit dem Zug. Eine Sekunde in meinen Gedanken. Würde ich sie finden? Würde sie mich finden? Weiß sie eigentlich wo ich lebe? Will sies wissen? Und wann wird die Taste mit dem Fragenzeichen aufgeben?
Ich fühle mich gut. Wirklich. Nicht das ich, die Probleme verdrängt hätte, aber – im Moment tickert es nicht in meinem Kopf. Ich mache mir Sorgen – natürlich. Doch es geschehen keine Abnormale Dinge. Oder so. Keine umgelegten Hebel. Keine zerbrochenen Spiegel.
Mehr als deutlich habe ich ihr gesagt, was ich will. Und auch, wenn ich mir wünschte, sie würde sofort herbei eilen…und mich mit ihren Sein zu erfüllen, ist mir doch bewußt, dass es so einfach nicht geht. Aber nicht..warum nicht. Aber es ist so. Diese Wahrheit reicht.
Es ist eigentartig. Ich muss mich immerzu fragen, ob sie an mich denkt. Warum sie mir nicht mal schreibt, wie andere. Warum sie mich nicht besucht. Ob sie sich so nach mir verzehrt, wie ich nach ihr. Und gleichzeitig kenn ich all die Anworten auf diese Fragen bereits. Oder vielmehr, ich muss mir diese Fragen nicht stellen, weil sie garnicht zur Diskussion stehen.
Oder wie?
Mich befällt eine gewisse Unruhe. Nicht greifbar, und noch bevor ich wirklich erfassen kann… Wer wie oder was… Ist es schon vorbei. Meine Finger haben selbständiger Weise “MALEKIN” auf die Glasfläche geschmiert. Gedankenverloren wohl. Die fettigen Buchstaben schimmern rötlich und für einen Moment scheint mir die Spiegelung in der Scheibe nicht ganz zu passen. Doch ich lasse mich nicht wirklich darauf ein. Es ist… So beruhigend sich nicht mit seltsamen Dingen rumschlagen zu müssen. Noch nicht. Tanz noch nicht weiter Spinne.
Ich werde mich ablenken.
Als sich mein Pc im Netz angemeldet hat, erstattet er sogleich Bericht.
Email for you.
Automatisch klicke ich das Icon an. Gewohnte Bewegungsabläufe.
Junkmail.
Chatbekanntschaften.
Virus frei Haus.
Kein betreff. Die Addy kenn ich nicht. Hm.
Ich wills schon weg klicken… Ab in die Trash Can, als mich der Heldenmut packt.. Wieviel Virus kann man in 3 Kb Email unterbringen?

“Guten Abend!
Ich hoffe, es geht euch allen in München gut.
Ich komme mir reichlich albern vor, wenn ich diese mail so beginne mit – so menschlich-banal – aber tatsächlich ist es das, was mich interessiert, also bleibt mir nichts übrig, als es so hinzuschreiben. 
Am Telefon würde die Frage auch weniger wie die Postkarte eines Fünftklässlers aus dem Schullandheim klingen. Doch das Sprechen fällt mir noch nicht leicht.”

Bis zu diesem Satz ist mir nicht wirklich klar, von wem ich Post bekommen habe. Ich schlucke heftig. Sie hat mir geschrieben. Sie hat an mich gedacht. Sie…  Ich lese ihre Mail durch mit Herzklopfen. Ich freue mich wirklich. Und dennoch ist es kein einfacher…Hey ich wollt mich nur mal melden… Brief.  Sie sorgt sich. Um Thomasso. Ich kann das verstehen. Auch ich habe mir schon Fragen gestellt. Wir sollen was tun. Uns zusammen schließen. Auch ich weiß was. Nicht mehr als Josefa. Aber ich weiß. So mache ich mich aufgeregt daran ihr zu antworten.
Endlich kann ich ihr schreiben!
 

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