Portrait of a Shadow

Meine Träume sind meine ‘echte’ Welt. In ihnen kann ich richtig sehen, richtig hören….richtig fühlen. Alles, war mir in der sogeannten ‘Realität’ vorbehalten bleibt. Ich bin erkrankt, an einer Art …Nervenleiden…die es mir unmöglich macht…die Realität so wahrzunehmen wie es die meisten Menschen mit Hilfe ihrer Sinne können.
Die ‘Realität’ besteht für mich nur aus Schemen…dumpfen Klängen…. Meine Welt ist ein Gefängnis, in dem ich alleine bin, in der ich nur mich habe, denn kaum etwas schafft es zu mir durchzudringen.
Selbst Geschmack und Geruch sind mir größtenteils verwehrt.
Einzig für Berührung  bin ich empfänglich.
So erkenne ich Menschen nicht an ihrer Stimme wieder, sondern an dem Eindruck, den ihre Anwesendheit in meiner Umwelt hinterlässt. Schwer vorstellbar für jene, die nicht wie ich auf diesen einen Sinn angewiesen sind. Doch jedes Wesen trägt eine eigene Art des Seins in seiner Aura, so unverwechselbar wie ein Fingerabdruck.
Eine Mischung aus magnetischen, elektrischen Feldern…radioaktiver Strahlung…Wärme…und tausend anderer Umstände…sehr faszinierend.
Und erschreckend.
Nachdem meine Krankheit ausbrach stellte sich meine Wahrnehmung innerhalb nur zwei Jahren völlig um. DAS ist wirklich verwirrend.
Und jetzt alles was mir bleibt.
Das wenige was ich fühle, die Erinnerung daran wie es war und meine Träume.
Für die Menschen, die mit mir arbeiten – ich lebe wohl in einer Art Heim – bin ich …nur existierend. Sie schließen, aus meiner Unfähigkeit mit ihnen zu interagieren, dass ich nicht zu eigenen Gedanken fähig bin. Das ist nicht richtig. Ich kann ihnen nur keinen Ausdruck verleihen.
Sie meiden den Umgang mit mir, weil ich zurück zucke, wenn sie mich ‘normal’ berühren, sie wissen nicht, dass es für mich ist, als würden sie mir ins Gesicht schreien.
Sie verstehen mich nicht und aus Unverständnis wächst Angst…wenn nicht sogar Hass. Aber ich bin nicht präsent genug um sie zu ängstigen. Ich BIN einfach nur – für sie.
Alles verändert sich an jenem Tag, als dieser neue Mensch meinen Raum betritt.
Unbekannt. Unbenannt.
Ein Schatten auf meiner Iris…ein gutturaler Ton in meinem Kopf, dessen Vibrationen für mich körperlich spürbar sind und…eine unbeschreibliche Präsenz. Dieser Mensch, ist so echt, so lebendig…so unglaublich da…wahr, dass es mir den Atem raubt.
Das Abbild, dass seine Gegenwart in mir hinterlässt, ist so greifbar, dass es mir beinah ist, als KÖNNTE ich ihn sehen, jemand der irgendwie ‘echt’ ist. Echter als jeder andere Mensch, der sich zuvor in meinem Umfeld bewegte.
Ich bin bewegt.
Er muss ein neuer Mitarbeiter sein…denn ich ‘sehe’ ihn fortan jeden Tag. Jeden Tag verbringt er Zeit in meiner Nähe. Spricht zu mir, auch wenn seine Worte nicht bis zu mir durchdringen. Dennoch unterhalten wir uns, auf ganz eigene Art und Weise. So vertraut, als würden wir uns schon ein Leben lang kennen. Wie eigenartig, Wie seltsam wundervoll.
Bald muss ich lächeln, wenn ich spüre, dass er mein Zimmer betritt.
Und ich weiß, dass er lächelt, wenn er mit mir spricht, weil sich die Schwingungen seiner Stimme im Raum verändern.
In der Sekunde, in der er mich zum erstenmal berührt verliebe ich mich. Seine Berührung ist so sacht…so zaghaft vorsichtig, als wüsste er wie ich empfinde…als wüsste er…WIE ich meine Welt wahrnehme. Seine Hand, seine Wärme auf meiner Haut ist ein Zwiegespräch besonderer Art.
Gespräche über Wahrheit und Nähe, über Ängste und Schmerz….Einigkeit – Verbundenheit.
Mich sehnt es danach mehr über ihn zu wissen, mehr zu erfahren. Darum nehme ich ihn mit in meine Träume.
Mit allem was ich über ihn weiß, male ich ein Bild.
Nicht von seinem Gesicht. Nicht von seiner Statur. Von IHM. Was ihn ausmacht.
In meiner ‘echten’ Welt kann ich ihm geben und von ihm nehmen. So wie er mir gibt und von mir nimmt. Als wäre es niemals anders gewesen. Ich bin beflügelt. Lebendig. Eine echte Frau. Und wenn er am nächsten Tage wieder bei mir ist und seine Anwesendheit über seine Hände in meinen Körper fließt, erzähle ich ihm von meinem Traum.
Und dass er mir lauscht macht mich glücklich.
Ich bin glücklich.
Dann kommt der Tag, an dem ich vergebens auf sein Erscheinen warte.
Seine Abwesendheit hinterlässt eine eigentümliche Wunde in der Realität, dir mir keine Freude mehr machen will.
Darum lasse ich sie hinter mir.
Ich bleibe in meiner Welt, in meinen Träumen.
Allein, mit dem Abbild eines Schattens.

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