Verbundenheit

22.Mai. 2002 
 
Mittwochabend, es geht so gegen 22 Uhr. Ich setzte einen Fuß vor den anderen immerzu, die Luipoldstraße entlang, an deren Ende mich die Feldherrenhalle erwartet. Ich weiß, dass sie dort sein werden – die Malkavianer. Das er dort ist… Und sie nicht. Aber macht es einen Unterschied? Beide sind Malekin, doch die eine liebe ich und den anderen fürchte ich und was daran so richtig seltsam ist – manchmal kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob es nicht vielleicht doch umgekehrt ist… Das ich ihn liebe und sie fürchte… ?
Einerlei.
Zwei Seiten einer Medaille und wenn man sie anschubst und sie sich um sich selbst dreht verschwimmen die Grenzen.
Einerlei…
Keiner von Ihnen ist überrascht als ich ankomme. Natürlich nicht. Ihre Gespräche muten mir seltsam an, beinah untypisch. Ich wage nicht so recht mich einzumischen. Ich glaube, ich bin einfach anderer Meinung, ich denke Katinke wäre anderer Meinung, doch vielleicht ist es einfach nicht wichtig – oder es scheint mir einfach so.
Schließlich verlassen wir, wie auf einen Startschuss hin, unseren Platz und ziehen hinüber in den Garten. Die Straße überqueren wir einfach, ohne uns zu vergewissern, ob dort Autos sind. Es sind welche da, aber keines muss anhalten. Es so als wäre es der perfekte Zeitpunkt um hinüber zu gehen. Meine Güte, man kann wirklich in alles etwas rein interpretieren, wenn man will. Wer soll da nicht verrückt werden?
Ich rede mit Josepha über ihr Kind. Zugegebener Maßen ein Floh, den mir der Wolf ins Ohr gesetzt hat. Nichts desto Trotz hat er recht. Wo ist denn Josephas Kind? Warum gestattet man ihr nicht, sich darum zu kümmern? Schließlich muss sie auch die Misslichkeiten dafür in Kauf nehmen. Während unser Gespräch ein wenig abdriftet.( Warum sie sehen kann wenn andere Lügen. Wie das mit den Aura Farben ist.) Führt uns Malekin? Zu einem seltsamen Grab, mitten in diesem Garten.
Sechs Betonblöcke. Auf denen ein großer Stein ruht. Zwischen den Blöcken hindurch führen Treppen hinunter. Dort gehen wir hin. Es ist dunkel. In der Mitte des Sechseckigen Raumes liegt die Abbildung von irgendwem. Ich kenne ihn nicht.   Ein Grab wohl. Ich fühle mich ein wenig unwohl. Malekin schleicht umher wie ein Tier. Jospepha stiert in die Dunkelheit, als könne sie Dinge sehen, die mir verborgen bleiben. Ihr Bruder, George hat etwas unheimliches an sich. Hat er nicht gegessen? Bei dem Gedanken schauderts mich. Und Christopher? Von ihm sehe ich nur die dünne Silhouette gegen das fahle Mondlicht. Ein verrückter Tremere. Auch bei diesem Gedanken läufts mir kalt über den Rücken.
Da erhebt Malekin seine Stimme. Oder besser, er spricht und alles um ihn herum wird so leise, dass seine beinah flüsternden Worte gut zu verstehen sind.
Hineingesogen in seinen Bann. Er hat zu jeden etwas zu sagen. Auch wenn ich mich an die Worte selbst nicht mehr erinnere. Es ist, als würde er in jede Wunde Salz streuen. Auch in seine eigenen. Masochismus in jeder Hinsicht?
Dann verändert sich alles.
Der Raum in dem wir standen wird zu einem Würfel. Geschlossen auf jeder Seite. Wände in denen wir uns selbst wieder sehen. Für eine kurze Sekunde droht meine Angst vor geschlossenen Räumen durchzubrechen. Aber irgendwie fehlt das Gefühl vom Eingesperrt sein. Die Maserung der Wände drehen und wenden sich, oder vielmehr, die Wahrnehmung , meine Wahrnehmung ändert sich so, dass ich das Muster, das schon immer da war, erkennen kann. Wie eine Karte. Und in dieser Karte unsere Gesichter. Wir. Malekin. Katinka. Malfeis. Josepha, Georg, Christopher. Anna. Das zwei von ihnen nicht? körperlich anwesend sind wundert mich irgendwie nicht. Ein seltsames Knurrendes Geräusch, dass Unheil verspricht. Wirre Bilder in meinem Kopf. Dinge die ich sehen will? Ein Schatten über alle dem, und als ich das Gefühl habe, davon laufen zu wollen, weil mir das Grauen den Boden unter den Füßen wegzieht, hören wir auf Individuen zu sein.
Die Umrandung meines Körpers zerfließt, die einzelnen Teilchen streben in den Raum. Zwischen die Anderen. In die Anderen… Die Anderen, die ich sind. Nein. Wir, die Eins sind. All unsere Sorgen, so banal in Betracht dieser Einigkeit. Erfüllung. Kann das Liebe sein? So tiefes Verständnis, weil das Empfinden jedes einzelnen DAS ist, was ich fühle. Es gibt kein ICH mehr. Ich hab mich in uns verloren und finde mich wieder in allem. Kann das Wahnsinn sein?
Von der einen Sekunde zur nächsten stehen ich wieder am Kopf dieses Grabes. Ich weiche einige Schritte rückwärts, suche halt an der kalten Betonwand. Überwältigt von dieser Verbundenheit bleibt mir der Atem weg. Es muss wohl aussehen, als hätte ich mich erschreckt, aber das ist es nicht. Ich habe Schlichtweg noch niemals in meinem Leben eine derartige Nähe empfunden. Ich wage nicht zu sprechen und versuche, was ich erlebt habe festzuhalten. Noch nie war ich so allein, wie jetzt gerade. Wie heißt es? Man kann nichts vermissen was man noch nicht erlebt hat? Aber ich habe. Ich war mir immer genug. Ich war nie allein. Doch jetzt? Schwer Suchtgefährdet! George verkauft Drogen? Ich könnte bei dem Gedanken hysterisch kichern. Ob jemals ein Drogensüchtiger, eine Sehnsucht wie diese erlebt hat? Und könnte man das, was wir uns geschenkt haben als Droge verkaufen… meine Güte… was für eine Marktlücke.
Josepha kommt zu mir, nimmt mich in den Arm. Lächerlich im Vergleich zu eben, aber dennoch tröstlich. Nein, allein bin ich nicht.
Unser Weg führt uns raus und weiter… An einem Pavillon vorbei in dem einige Menschen zu lateinamerikanischen Rhythmen tanzen. Wir im Abseits –  in der Dunkelheit. Meine Blicke schweifen hin und her. Dort drüben, die Welt der Menschen… Und ich stehe unter den Jägern. Und leider kann ich nicht entscheiden, wohin ich mehr gehöre. Zum Leben oder zum Tod. Toth.
Unsere Gespräche verstricken sich. Philosophie. Moral. Lebt das Tier im Vampir und bricht dann und wann raus? Oder ist der Vampir das Tier und für die Ewigkeit darum bemüht es zum schweigen zu bringen? “Früher oder später “grinst das Tier….
Ein Brunnen. Eine Parkbank. Dort sitzen und reden wir. Und endlich stelle ich die Frage die mir doch auf der Zunge liegt. Thomasso hat mich gebeten Katinka nach ihrer Meinung zu fragen. Wolfenstein betreffend. Also frage ich Malekin. Eigentlich will ich nicht, denn ich ahne, dass sie mir sagen werden, ich könne ihm nicht trauen. Das will ich nicht hören.
Doch sie sagen es mir – und noch viel mehr. Sie schüren Zweifel in mir. Ich schiebe schmollend meine Unterlippe vor.
Ob ich ihn mag?
Ja.
Ob ich ihm vertrau?
Ja.
Ob ich mich in seiner Gegenwart wohlfühle?
Ja Ja Ja. Zum Teufel.
Ob ich von ihm getrunken habe…
Nein. Angeboten hat ers mir.
AHA! Als hätte er sich mit diesem Angebot selbst überführt, geht ein wissendes Lächeln über ihre Gesichter. Das ärgert mich. Sie wissen nicht wie es war. Sie waren nicht dabei. Sie können nicht verstehen, dass es keine Verführung war, sondern ein Angebot, weil ich neugierig bin. Mehr nicht. Und es ärgert mich.
    “Hat er dir etwas zu trinken gegeben?”
    “War er mit den Getränken allein? ”
Himmel für wie dumm halten sie mich. Und schon spricht Christopher.
    “Wie naiv sie doch ist… ”
BAH! Dafür würde ich ihm am liebsten übers Mundwerk fahren. Ich bin nicht naiv.
Ich würde es nicht merken, sagen sie. Ich könnte den Unterschied nicht festmachen, sagen sie. Niemand tut etwas ohne irgendwann die Rechnung zu präsentieren, sagen sie. Traue niemanden!
    “Euch auch nicht? ” Frage ich. Sie lachen als hätte ich einen Scherz gemacht.
    “ Wer sagt dir denn, dass du uns von allein magst? Vielleicht lassen wir dich das nur glauben!”
Keine Sicherheiten. Nirgendwo. Es zum verrückt werden.
Und tatsächlich muss ich mich fragen. Warum vertraue ich Thomas so sehr? Und wie könnte ich herausfinden, ob er mich manipuliert hat. Malekin könnte. Er könnte in meinen Kopf gehen und mir sagen, ob mich jemand verändert hat.
    “Aber willst du wirklich, dass ich in dich gehe. Keine Geheimnisse vor mir? ” Sein Blick ist krank und mir wird kalt. Die Frage, die mich noch viel mehr beschäftigt.. Was bleibt von ihm in mir zurück? Und will ich die Antwort wirklich wissen? Und kann ich dem trauen was er mir sagen wird? Ja.
Traue niemanden hin oder her. Glauben würde ich ihm.
Schon wieder ein Fehler.
Argh. Ich könnte mir die Fingernägel in den Kopf stecken und kräftig umrühren.
George geistert herum und es macht mich ganz wahnsinnig.
Wolfenstein ist nicht vertrauenswürdig. Ich WILL das nicht glauben. Verdammt!
Josepha erzählt Fabeln von Fröschen uns Skorpionen. Und das niemand aus seiner Haut könne. Was einem im Blute liegt. DAS verstehe ich. Ich spüre es mit jeder Sekunde die ich mit Ihnen, den Malkavianern, den Verrückten, verbringe.
Wenn ich dreimal von einem Vampir trinke, verliebe ich mich unsterblich. So sehr, dass niemand mich davor retten kann. Außer ich würde den Kuss empfangen. Danach wäre alles anders.
Das macht mir Sorgen.
Was wenn sie recht haben?
Was wenn der Wolf mir listig ins Gesicht lügt und ich schon längst an ihm hänge?
Aber kann ich mich so täuschen.
Nein, denke ich. Ja, fühle ich.
Nein, fühle ich. Ja, denke ich.
Und während ich Malekin noch frage. Wie es geht. Wie man sich verändert. Wie das mit dem Vergessen geht. Wer was kann. Verschwindet er.
Puff!
Und als wäre dass das Zeichen gewesen löst sich die Gruppe auf.
Die Musik ist verstummt. Das Wasser im Brunnen auch. Dunkelheit und  das Mondlicht umgibt mich.
Ob Gonzo hier ist?
Ich mache mich auf den Weg zurück zu meinem Auto.
Dumm bin ich nicht.
Naiv will ich nicht sein.
Wenn Wolfenstein ein Spielchen mit mir spielt, wird es höchste Zeit für mich… Alle Regeln zu vergessen.
Tu was du willst!
……….” Gehörst du mir! ”
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