Es war einmal…

14.10.2002
 
Frustriert blicke ich auf meinen Monitor

Liebe Katinka….

Steht da. Mehr nicht. Und überhaupt. Wohin sollte ich das schicken?
An Katinka Malekin
Bei Gina, dem Prinzen
Irgendwo in Freising, wo es dunkel ist?
Wenn da mal der Postmann nicht zweimal klingelt.
Warum ich ihr schreiben will? Hm… Weiß nicht genau. Obwohl ich sie vermisse und es sicherlich genügend zu reden gäbe, bin ich sicher wäre sie hier, oder ich bei ihr, wenn etwas Wichtiges geschehen wäre. Es ist wirklich ungemein seltsam, ständig jemanden bei sich zu fühlen, selbst wenn er nicht hier ist. Wunderschön. Aber… Man fühlt sich nicht komplett wenn derjenige körperlich fehlt.
Wie schlimm muss es für sie sein, nicht mehr an Malekins Seite zu sein?
Es klingelt an meiner Haustüre.
20:34 Uhr  steht auf meinem Videorekorder. Seit wann klingeln die denn?
Erstmal mache ich nichts. Wer von ihnen ist denn so normal und benutzt die Glocke, anstatt einfach zu erscheinen? Echt, mir kommt das komisch vor. Thomasso vielleicht? Ich denke, er würde wohl höflich klingen, wenn er mich unerwarteter Dings besuchen würde.
Es klingelt ein weiteres Mal.
Die Frage ist, möchte ich Thomasso – und vor Allem – sein freundliches Alter- Ego, wirklich die Türe öffnen? Gehen Sie zu ihrer Türe, und laden sie JETZT den Vampir zu sich ein. War das nicht so in diversen Horrorschinken über Vampire? Du musst sie einladen, damit sie dein Haus betreten können? Wer das erfunden hat…
Es klingelt ein drittes Mal.
Andererseits, egal wer da draußen steht… Eine Tür wird ihn/sie/es nicht davon abhalten hier rein zu kommen. Dann doch lieber Angesicht zu Angesicht.
Ich nehme die Kette ab, und öffne die Tür.
(Tritt ein komm herein)
Dahinter kommt eine kleine Frauengestalt, mit langen blonden Haaren zum Vorschein.
Hm? Das…
    “Sag mal bist du Tod?” Fragt sie leise und ihre Stimme klingt nicht halb so vorwurfsvoll, wie ihre Worte. Eher..niedergeschlagen. Susanne. Meine … Freundin.
    “Susan….ich….äh…”
Da steh ich in der Tür und bin vollkommen Perplex.
Einen Vampir hatte ich erwartet.
Ein Werewolf…hätte mich ernsthaft beunruhigt.
Aber…. Sie?
Es gibt ja Menschen, deren Leben völlig aus den Fugen gerät, weil sie plötzlich von verrückten Dingen umgeben sind.
Da muss ich kichern und halte mir die Hand vor den Mund, als ob es unhöflich wäre zu lachen.
    “Lässt du mich hier draußen stehen oder….?” Spricht sie und sieht mich auffordernd an. Mein Kichern quittiert sie mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck.
OH ja…stimmt. Wie  unhöflich. Ein wenig hektisch trete ich beiseite, öffne die Türe und bitte sie herein. Nicht ohne einen prüfenden Blick nach draußen zu werfen. Hat sie jemand gesehen? Hat sich dort im Schatten etwas bewegt? Hm…
    “ Anna?”
Also ich könnte schwören… Nachdenklich betrachte ich eine flackernde Straßenlaterne. Meine Wahrnehmung ist so was von Lachhaft. Der ganze Garten könnte voller Kainiten stehen und ich würde es nicht merken.
    “ANNA!”
Nein, ich glaube da ist nichts. Oder? Egal. Ich zucke mit den Schultern, und wende mich ihr langsam zu, mit einem kleinen Lächeln. Ich freue mich durchaus sie zu sehen.
    “Ja…?”
Susanne schüttelt leicht ihren Kopf . Wie es die Menschen tun, die etwas eigenartig finden, es aber nicht mit Worten fassen können. Wir gehen in mein Wohnzimmer. Ich bereite Tee, hole ein paar Kekse, gerade so wie früher. Meine Gedanken schweifen zurück, zu dem Brief, den ich schreiben wollte. Es ist ja auch noch diese Sache mit Thomasso, wenn er noch länger in diesem Zustand bleibt, wird er (auch) noch verrückt. Besorgt seufze ich, schenke das heiße Wasser in die Tassen. So gerne. So gerne würde ich helfen. Katinka an Malekin schenken. Vergiss die Generation. Einen eigenen Körper für Thomasso. Ein Herz für Schlayer. Eine Seele für Malfeis…. da muss ich wieder lachen.
    “……. Verstehen. Kein Anruf. Reagierst nicht…ich mache  mir Sorgen..ich…..”  Da hält sie inne und sieht mich an, als würden Frösche aus meinen Augen quellen. “ Findest du das lustig?” Fragt sie ernsthaft verletzt.
Ooopsie. Es tut mir wirklich leid! Ich wollte sie nicht ignorieren. Ihre Worte sind nur so…sinnlos. Mit einem schmerzhaften Stich wird mir klar, dass ich nicht mehr bin wie sie. 8 Jahre unseres Lebens haben wir, mehr oder minder miteinander verbracht. Uns unsere Sorgen erzählt. Auch wenn ich…andere hatte wie sie…schon immer…aber wir haben geteilt, uns geholfen. Wir waren echte Freundinnen. Ich krieg ein schlechtes Gewissen.
    “Tut mir leid Susan. Entschuldige… Mein Leben hat sich verändert ich.. Es sind so viele….”
 (Traditionen!!! Verplapper' dich nicht!!! Vertraue niemanden!!! Ravnos!! Sie können dich sehen lassen was sie wollen!!!) Für einen Moment stutze ich.
    “Ich hab's gemerkt Anna. Weißt du wie oft wir uns im letzten halben Jahr gesehen haben???”
Vorwurfsvoll klingt sie. “… Dreimal.. Anna…DREI MAL. Und das zufällig. Zweimal bist du sogar an mir vorbeigelaufen ohne mich zur Kenntnis zu nehmen. Ich spreche auf deinen AB. Du reagierst nich! ” Hat sie auf meine Anrufbeantworter gesprochen?? Mein Blick fällt auf das Telefon. Oh je, wann hab ich den denn das letzte Mal abgehört? “Tagsüber kriegt man dich nicht aus Bett geklingelt. Nachts bist du…nie da… NIE…oder öffnest du mir nur nicht??” Also bitte, ich hab halt einen gesunden Schlaf, ich….” Was zum Teufel ist mit dir los? Was ist geschehen? Lass mich teilhaben. Erzähls mir!” Ihre Stimme klingt flehentlich…..und ich betrachte sie misstrauisch…. Wieso? Warum will sie unbedingt wissen was mit mir ist?????
Deine Freundin… Sie ist deinen Freundin Anna. Schon vergessen?… Jaha…IST? Sie meine Freundin?
Nachdenklich setzte ich mich zu ihr auf die Couch, begutachte sie aufmerksam. Gut sieht sie aus. Die Augenfarbe? Grün-Grau. Stimmt. Das Grübchen. Ja. Hm…sieht echt aus. Aber Ich weiß noch, als der Wolf mir Katinka zeigte, als ich so verzweifelt war…und ich hätte meine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass es Katinka IST. Hm hm hm.
    “Warum siehst du mich so an…………?” Trauer. Unverständnis.
    “Sag mal….” Lehne ich mich zurück und lächle sie freundlich an. “ Erinnerst du dich, als mein Onkel starb? An die Worte, die ich ihm mit in sein Grab gab?” Na ? Weißt dus???
 Wieder dieses Kopfschütteln, tue ich ihr weh?
    “Anna was soll das?”
    “Weißt dus?” Meine Stimme klingt wohl einen Hauch zu scharf, denn sie schreckt zurück.
    “Alles beginnt und alles endet, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.!” Antwortet sie leise. Sind das Tränen in ihren Augen. Da zwackt mich mein Gewissen gleich noch viel doller. Es stimmt was sie sagt.   
    “Tut mir leid!” Murmle ich ein weiteres Mal. Verdammt. Verdammt! Verflucht Verdammt…ins Herz gerammt.
Jetzt sagt sie nichts mehr…sieht mich nur noch so an. Ich glaube nur Frauen können so blicken. Soviel Trauer, so viele Fragen. Ich senke meinen Kopf und nun rinnen Tränen über mein Gesicht. Und Susanne beginnt wieder zu reden…
    “Anna…” Sie schluckt hart. ….

Mein Herz ergriffen, zurecht geschliffen mit tausend Worten
Die alle nur das eine sagen, ich kann nicht wagen noch einmal danach zu fragen, kann nicht ertragen was du sagst, du fragst mich weiter tausend Fragen mit Händen und Blicken von deinen Lippen, darf ich Nippen von deinem Leid, doch weder befreit noch löst dich dein sprechen, ich fürchte fast du willst mich brechen, denn auch wenn du schweigst, sprichst du unentwegt, von meinen Fehlern, meinen Schwächen, tausend Verbrechen, die ich an dir begangen hab, verzag ich nun und schweige still, weil ich nicht mehr reden will, nicht will, nicht kann, ich fühl mich schlecht, denn wie ich bin, dass ist nicht recht, in deinen Augen, Worte verstauben, doch Gefühle halten an, wenn man sie verstehen kann…
Ich bin nicht gut, bin nicht genug, bin nicht so wie du es wünscht
Mir hilf kein Klagen und auch kein Reden, bekomm so viel von dir und kann nicht genug geben…

    “…..verstehst du?” Bittend. Jemand hat seine Hand um mein Herz gelegt und drückt zu. Mein Körper zittert. Es ist…wie… Als hätte ich das letzte Jahr damit zugebracht unter Wasser leben zu können … Mich daran gewohnt..und plötzlich zieht mich jemand raus und sagt mir….DA…LUFT…ATME!
Mein Herz tobt. Susan sieht mich ängstlich an. Merkt, dass es mir nicht gut geht. Will mir helfen. Meine Güte. Ich bedeute ihr etwas. Sie sorgt sich und ich…hab sie einfach vergessen. Als hätte es sie nie gegeben. Ich bin schlecht… Und vor allem schlecht für sie. Panik.
Wenn jemand gesehen hat, wie sie mich besucht. Ein Mensch.
(Jaha. Sowas. Was für eine Tragödie. Ein Mensch hat dich Menschlein besucht. Ist dir das klar Anna? Merkst dus?)
Mir ist gar nicht bewusst, dass ich weine und seltsam schräg kichere auf einmal. Susan ist zu mir gerückt. Ihre Hand liegt auf meiner geballten Faust. Trostspendend. Aber nicht für mich. Man wird wissen, dass sie zu mir gekommen ist. Man wird an mir zweifeln. Man könnte befürchten, ich hätte in einer schwachen Sekunde die Maskerade gebrochen. Wie lange ist sie schon hier?
    “Du kannst mit mir über alles reden Anna…dass weißt du doch…”Ihre Stimme klingt vertrauensvoll und zärtlich. Ich will.. Ich will ihr alles sagen. Ihr meine Sorgen klagen. Mein Herz ausschütten. Ihr von Katinka erzählen. Von meine Gefühlen. Von dem bösen Wolf, der mich wichtige Lehren lehrte. Davon dass Malekin verrückt ….und Alles Wahnsinn ist. Will darüber sprechen… Dass sie..und alle..wie sie dort draußen rumlaufen…Blüten sind, von denen jeder mal kosten darf. Oder man pflückt sich einen hübschen Strauß.
    “ Ich….” Setzte ich an.
Ihr Blick ist aufmunternd. Zuhören will sie mir. Verstehen will sie mich. Lügen. Ich muss lügen. Aber ich lüge so ungern. Was tun? Ich kann ihr nichts erzählen. Würde sie mir glauben… Würde der schlimmste Fall eintreten..wäre Katinka in Gefahr…alle..die ich… In mein Herz geschlossen habe. Wenn du den Tod im Herzen hast, dann ist für nichts lebendes mehr Platz. Und…. Susan wäre tot… Erführe sie nur ein Wort von meinen Lippen… Wäre sie tot. Sehr viel Toter, als ich bald sein werde. Und vielleicht ist sie schon zu lange hier.
    “ Du musst gehen!” Ich erhebe mich. Mein Gesicht wirkt verschlossen. Wie war das? Manchmal muss man jene, die einen lieben weh tun, um sie zu schützen? “ Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Klar?” Es beunruhigt mich, wie leicht mir diese Worte über die Lippen gehen. Kalt, hart. Fast wie Schlayer. Einfach logisch. Emotionslos. Sie sind nicht gelogen. Es ist besser, für mich, für sie..und überhaupt. Diese Welt..so wie sie war… Ich will sie nicht mehr.
Ihre Mimik versteinert. Dann erhebt sie sich wortlos und geht. Ich höre die Türe hinter ihr, wie sie ins Schloss fällt.
RUMS.
Vorbei.
 

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