S-Bahndebakel

15.122002
 
Ich war tanzen. Tanzen macht mich immernoch glücklich. Ich fühle mich gut. Sitze in dieser S-Bahn und blicke aus dem Fenster. Hänge meinen Gedanken nach. Das leichte Schunklen wirkt irgendwie beruhigend auf mich. Nach dem Debakel in Berlin sind sowohl die Domäne Freising und die Domäne München enorm vorsichtig. Es gibt keine Treffen. Ich vermisse es fast. Jetzt, da sie mich nicht mehr von sich weisen können. Jetzt, da ich eine von Ihnen bin. Wenn ich es bin. Da bin ich mir nicht sicher. Aber ich bin eine von Malekin. Und das ist alles alles was ich wollte. Ich klink mich da und dort in eine Art Forum für …. Unsere Art…ein. Das ist irgendwie ganz witzig. Interessant. Und ich setzte mich mit andere auseinander. Wenns schon keine Elysien hat. Ich lächle und betrachte mein Gesicht im Fenster. Mein blasses. Eigentlich besteht garnicht soviel unterschied zu vorher. Nun gut, meine Ernährungsgewohnheiten haben sich etwas geändert….und die Bücher. Aber davon abgesehen bin ich immernoch dieselbe. Und ich bin tatsächlich glücklicher als früher. (Ach ja?) Wenn ich mich seltsam fühle, muss ich nur daran denken, dass SIE jetzt in mir lebt. Ich durch sie lebe. Sie mich erfüllt. Dann finde ich Frieden. Dann fühle ich mich gut. Ich lehne mich zurück und bin eigentlich ganz zufrieden mit mir.
“Du sitzt auf meinem Platz!”
Ich bin etwas irritiert, wende meinen Kopf und betrachtet den Typ der da vor mir steht. Muss eine Skin unart sein. Glatze. Bomberjacke. Springerstiefel. Diese Sorte Mensch, die nach Ärger riechen. Es ist bestimmt schon halb zwei und in diesem Wagon sind maximal 5 Leute, die natürlich alle woanders hinsehen. Sein Platz hm? Ich sehe mich demonstrativ um, nur um klar zu machen, dass ich es eigentlich lächerlich finde, einen Platz zu verlangen, wo doch soviel Platz ist. Aber der Mann ist schon vom Schrankformat und ich habe nicht wirklich das Bedürfnis mit dem aneinander zu geraten.
“Wenn du hier sitzten bleiben willst, muss du zahlen Zuckerschnecke” Er tritt so nahe an mich heran, dass er definitiv meinen persönlichen Freiraum einschränkt.
(Frag ihn mal nach seinem Friseur!)
Ich unterdrücke ein kichern, meine Mundwinkel zucken dennoch.
“Findest du das witzig?” Seine Stimme klingt bedrohlich und ich fühle mich etwas mulmig. Wie lange dauert es noch bis ich in Freising bin?
Ich schüttle meinen Kopf, raffe meinen Sachen zusammen und erhebe mich.
“ Weißt du was?” Antworte ich ruhig. “Wenn das dein Platz ist, dann will ich dir da nicht im Wege stehen.” Dann lächle ich künstlich, schiebe mich an ihm vorbei und suche mir eine andere Sitzgruppe. Weit entfernt. Warum gibt es eigentlich solche…… Menschen?
Ich sitzte noch gar nicht richtig, da steht er schon wieder da. War ja klar oder? Lehnt lässig an einer der Stahlstangen und hat ein blödes überhebliches Grinsen im Gesicht.
“Das ist auch mein Platz!”
Es sind diese Momente in denen ich wünschte gläubig zu sein. Da will ich mich auf meine Knie werfen und Gott im Himmel anflehen Hirn für die Bedürftigen hinabzu werfen. Und ich kenn da schon den richtigen Kandidaten. Obwohl atmen für mich nicht mehr essentiell ist muss ich seufzen. Ich will doch echt nur meine Ruhe. Im Fenster sehe ich, wie eine etwas ältere Frau neugierig her sieht, sich aber schnell abwendet, als sie wiederum bemerkt wie ich sie bemerkt habe. Weg gucker. Ich ahne auch schon wie das Gespräch weiter geht. Hier in diesem Wagon sind alle Plätze seine Plätze. Vermutlich sogar die ganze S-Bahn. Was muss der Mann betucht sein. Ich habe für ein paar Minuten die Hoffnung, dass er es einfach gut sein lässt, wenn ich so tu, als hätte ich es nicht gehört. Natürlich lässt er es nicht gut sein.
“Hast du nicht gehört?” Mit übertrieben viel Hingabe macht er sich neben mir breit, mich etwas zwischen sich und die Wagonwand drängend…mir zugewandt.
Ich fühle mich unwohl. Bin nicht stark. Aber würde ich ihm zeigen, dass er mich beunruhigt, geht der Käse erst richtig los. Man kennt sowas ja.
“Ich habe dich gehört!” Erwidere ich und erhebe  mich abermals. Er tut es mir gleich, legt die Hand auf meine Schulter und drückt mich, durchaus mit Kraftaufwand wieder auf den Platz zurück
Was nun?
Ich kämpfe die aufkeimenden Panik hinunter, sehe ich möglichst ruhig an und frage:
“ Und was jetzt weiter? Was willst du von mir?” Halte seinen Blick stand. In meinen Augen siehst du keine Angst. Nicht für dich. Das ist ein wenig gelogen, aber er weiß das nicht.
“Wie ich schon sagte Zuckerschnecke. Du sitzt auf meinem Platz. Und wer auf meinem Platz sitzt muss zahlen!” Diese Logik allein schon! Dünnhirn!
Ich werde ihm nicht den Gefallen tun und fragen, wie er sich die Bezahlung vorstellt. Ich verschränke meine Arme, lehne mich zurück und sehe aus dem Fenster. Lange kann es nicht mehr dauern. Dann bin ich raus.
Seine Hand landet vertraulich auf meinem Oberschenkel und ob ich will oder nicht, ich zucke zusammen. Nu ist aber langsam gut. Mein Blick streicht wieder durch das Abteil, aber von den Weg guckern, hat sich noch keiner entschlossen hin zu gucken. Typisch. Ich hasse es! Ich schlucke … Seltsame Angewohnheiten die man behält…dann nehme ich seinen Hand und gebe sie ihm zurück.
“Geh doch bitte!” Höflichkeit. Höflichkeit ist alles.
“Zick doch nicht……..bitte” erwidert er und sein ‘Bitte’ ist eine Farce.
(Manche Leute haben eine seltsame Art zu Bitten…..nein?)
In mir grummelt es. Ich sehe ihm in die Augen.
“GEH!”Nicht dass ich sonderlich laut spreche. Er blinzelt etwas, sein Blick wirkt unstet, dann erhebt er sich, wendet sich ab. Er tut ein zwei Schritte, bleibt wiederum stehen und wendet sich mir wieder zu.
Er will etwas sagen, aber er scheint verwirrt. Da passt was nicht zusammen.
Ich will dem tausend Sachen sagen. Was ich von seinem Verhalten halte. Was ich von Typen wie ihm halte. Die konnte ich noch nie leiden. Welche Frau kann das schon? Was bilden die sich ein? Ist es nicht unfair, ihre körperliche Überlegenheit auszunutzen? Wie können sie sich so erpichen schwächere Wesen zu schikanieren. Oder schlimmeres. Es grummelt richtig in mir. Er steht nur so da und ich sehe wie sich in ihm Ärger über sein eigenes Verhalten aufbaut. Sein Körper spannt sich an.Er ärgert sich, dass er getan hat, was ich ihm gesagt habe. Apropos.
Bin ich ein Opfer? Da war doch noch was. Ich betrachte ein weiteres mal mein Gesicht im Fenster. Annas Gesicht.
Ich lächle, sie nicht. Dann erhebe ich mich und begebe mich zu ihm. Zu ihm hochblickend. Zwangsweise. Aber eigentlich sehe ich auf ihn hinab. Wer ist denn das schon?
“Du willst, dass ich zahle?” Frage ich leise.
Er ist wütend. Er ist verunsichert. Es passt nicht in sein Konzept. Ich passe nicht in sein Konzept. Opfer agieren nicht.
“Lass uns tauschen…” Biete ich ihm an. “ Ich zahle deinen Preis…………..und du…meinen.”
Wüste Gedanken in meinem Kopf. Böse Gedanken. Ein neues Buch. Es heisst Spielen. Was er so gern zu tun scheint, sich an schwächeren vergnügen, da spiel ich mit. Jetzt kann ich mitspielen. Und ich werde mitspielen. Was kann dieser…dieser….mir fällt da gar kein Wort für eine derartige Nichtigkeit ein… Was kann er mir schon tun?  Nichts. Mir Schmerz zufügen? Und dann? Und dann? Und dann? Ich muss unvermittelt kichern.
“Sag ja….” Säusel ich. (Bejahe und wir werden dir ein Geschenk machen)
Ich wünsche es mir wirklich. Aus meinem Innersten herraus wünsche ich mir, dass er Ja sagt. Warum er ja sagen muss?  Es muss so sein. Es steht so geschrieben. Beide müssen freiwillig spielen. Es fließt durch meinen Körper. Durch mich hindurch. Ich will. Ich will. Ich will diesen Menschen zeigen, wie man spielt. ( Ich will dich töten, dein Herz verletzten und wenn du schreist dich ganz zerfetzten…nein?)
Dieses Ding ist groß, stark und dumm. Dumm genug um nicht zu erkennen, auf was er sich einlassen würde. Hätte ich einen Gott würde ich beten. Sag ja. Sag ja. Sag ja.
Anna im Fenster schließt ihre Augen und blickt zu Boden.
Er öffnet seine Lippen.
Meine Augen blitzen hoffnungsvoll.
(…in deinem Blut will ich versinken und darin baden und es dann trinken.)

“Nächste Station: Freising Bahnhof!”

Ich blinzle.
Mein Kopf zuckt rum, als würde ich etwas suchen. Meine Station. Freising. Hab ich alles? Ich sehe mich um. Ich habe das Gefühl etwas liegen zu lassen. Meine Geldbörse? Hab ich. Meine Handtasche? Ach ja.
Ich lasse den Mann stehen, was wollte ich noch gerade von ihm? Egal. Ich nehme meine Handtasche und murmel etwas von… Ich muss los und verschwinde durch die sich öffenden Türen. Ich bin froh diesen Menschen los zu sein. Solche Typen gehören weg gesperrt. Wirklich. Dennoch drehe ich mich nach einer Weile um und betrachtet ihn aus der Entfernung. Sein Gesicht durch die Scheibe hindurch und irgendetwas in mir ist enttäuscht. Aber ich kann es nicht so recht fassen. Egal.

 

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