Gedanken Venedig

02.09.2003
 
Ich sitz auf dieser berühmten Brücke, die über diesen berühmten Kanal führt – in Venedig.
Katinka geht eine kleine Runde mit Thomasso, ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen, die mich nicht ganz so sehr interessieren. Weiß nicht mal genau warum, normal mag ich sowas schon gerne ansehen. Aber hier sitzten und den Spiegelungen des Lichts im Wasser zusehen ist eigentlich gerade total perfekt.
So wie die Gondeln langsam übers Wasser treiben, treiben meine Gedanken dahin.
Über die jüngsten Ereignisse.
Seitdem wir den Schneemann geschmolzen haben, konnte ich mich nicht mehr aufraffen, etwas in mein Tagebuch zu schreiben.
Obwohl viele Kleinigkeiten und zwei drei wichtige Dinge geschehen sind.
Malfeis, der wohl mein Vater ist, irgendwie – wie ich jetzt weiß. Aber mit diesem Gedanken will ich mich nach wie vor nicht auseinandersetzten.
Vanderbilt, der vernichtet wurde.
Viele unschöne geschehnisse, die damit verbunden waren und sind. Und die Fänge des Sabbaths haben sich noch nicht zurückgezogen.
Sie haben sich Krell geschnappt. Der ist….oder war? Prinz. Wie auch immer.
Mit Tiberius geschehen Dinge.
Mit Katinka geschehen Dinge.
So viele Dinge verändern sich. Ja. Alles verändert sich, aber mir scheint es, als würde es sich zum schlechten Verändern.
Stimmt es, was man meinem Clan nachsagt? Krieg ich ne Paranoia?
Es scheint mir, als würden alle irgendwie schlecht werden.
Die Gewalt nimmt zu.
Das Mitleid ab
Ich baumel mit den Beinen und fühle mich unwohl.
Hier ist es so schön und Thomasso gibt sich alle alle Mühe uns den Aufenthalt so angenehm wie nur irgendmöglich zu gestalten.
Thomasso glaub ich ist der einzige, der sich nicht verändert. Aber er ist auch nicht in der Nähe von München.
Oder nicht in meiner Nähe?
Ich kann den Satz, den Malfeis – bald schon ist es ein Jahr her – zu mir sagte, nicht vergessen.
 “Warum glauben sie dass diese Dinge von mir ausgehen. Ist es nicht vielmehr so, dass sie sich um sie drehen. Dort sind, wo sie sind? ”
Warum glaube ich, dass der Sabbath alles schlechter macht, vielleicht verändern sich alle zu ihrem Nachteil, weil sie in meiner Nähe sind?
Der Gedanke macht mir eine Gänsehaut.
Wenn das mal keine Paranoia ist.
Ich sammel ein kleines Steinchen auf und lasse es ins Wasser fallen.
Thomasso ist nicht der Einzige der noch immer so ist, wie er ist.  Nicht der Einzige bei dem ich keine schattigen Wolken aufziehen sehe.
Gero.
Ein Brujah. Wenn man mich fragen würde, kein typischer. Obwohl ich ihn nicht kenne.
Er beschäftigt mich ein wenig.
Ich könnt schwören, auf seine Art und Weise liebt er Krell. Vielleicht zumindest ein wenig. Er ist so besorgt um ihn. Lädt sich selbst soviel Last auf die Schulter – bereit jedem Ärger ins Gesicht zu sehen. Bereit zu sterben.Wie ein Held.
Helden sind dumm nein? Weiß nicht so recht was ich davon halten soll.
Kann ihn lesen und lesen und lesen. Aber es ist so wahnsinnig viel zu lesen, dass es mich verwirrt. Dinge die nicht ganz zusammen passen.
Eigentlich kennen wir uns nicht.
Ich hab ihm auf nem Elysium mit einer einfachen Frage, nen gehörigen Ärger eingebrockt. Und er BEDANKT sich bei mir dafür auch noch. Das verstehe wer will. Hat mir nen Garfield Button geschenkt. Von einem Brujah. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Ich verstehe es nicht, aber es freut mich. Wirklich. Er wollte mir eine Freude machen, dass ist schon Grund genug.
Haben uns ne Weile später getroffen.
Er wollt MICH, ein Kind sehen. Treffen. Mich um einen kleinen Gefallen bitten. MICH. Da bin ich schon stolz drauf. Nicht weil er mir zutraut, dass zu können. Ich bin mir sicher, er weiß, dass es Adressen gäbe, die ihm sicherlich mehr helfen könnten, als ich es kann oder konnte. Ich bin stolz, weil er lieber mich bittet – weil er sich lieber mir anvertraut.
Womit hab ich das verdient?
Weil ich so menschlich bin, sagt er. Noch so jung. Er ist nicht mehr so jung.
Aber sieht kaum älter aus wie ich.
Er sieht hübsch aus. Und als ich das denke runzelt sich meine Stirn, weil ich mich nicht entsinnen kann, schon mal darüber nachgedacht zu haben, wer von der Domäne hübsch aussieht oder nicht. Hübsch ist so ein unnützes nichtssagendes Prädikat. Total überflüssig. Dennoch, ihn ansehen ist angenehm. Sein Äusseres Lesen ist angenehm. Natürlich bin ich jung und meine Menschenkenntnis ist, nicht der Weisheits letzter Schluss. Aber die Fassade die er mit sich rumträgt wirkt auf mich wie ein Sieb mit großen großen Löchern. Ich glaub darum denke ich über ihn nach. Weil er ….unbedingt….etwas aufrecht erhält, was er so nicht ist….aber ohne unehrlich zu sein. Wie auch immer das geht.
Ich will mein Denken in eine andere Richtung lenken. Darauf…was ich tun muss, tun möchte. Mit Thomasso über die Sache mit dem Blutsband reden….und über sein Geschenk, dass er mir gemacht hat und mit dem ich Krell entlarven will.
Gero will mir diese Gelegenheit verschaffen.
Gero.
Durch meinen Kopf huscht dieses Bild, wie er den kleinen Weg im Park geht, noch die Hand hebt ohne sich wirklich umzudrehen und diese Worte sagt:
Über den Punkt 5 reden wir vielleicht ein andermal.
Punkt 5.
PS: 5. …nur du und ich……….wird das was romatisches?
Hab ich in einer mail an ihn geschrieben. Zugegebenerweise um ihn ein wenig aufzuziehen. Weil ich vermute, dass es ihm peinlich sein könnte. Mein Schalk im Nacken und sicherlich nichts anderes. Wie romantisch sind Vampire auch schon? Ich selbst bin nicht romantisch. Ich war nie romantisch. Zumindest nicht im Zusammenhang mit Männern. Wie auch. Wann auch. Dieses….. Erlebnis … Mit diesem Mann, kurz vor meinem Tod….war vieles, aber bestimmt nicht romantisch. Und davon abgesehen, war ich nie verliebt. Nie. Bis heute nicht. Denn Katinka liebe ich. Das ist was anderes. Irgendwie liebe ich auch Thomasso, aber auch das ist etwas ganz anderes. Es hat nicht mit Herzklopfen zu tun oder solchen Dingen, die man dem verliebt sein nachsagt. Und da sind wir schon an diesem Punkt.
Mein Herz schlägt nicht mehr. Wobei. Manchmal schlägt es ja, von allein. Aber das mein ich nicht.
Und wie sollte man romantisch sein, wenn man nicht verliebt wäre, was man nicht sein kann, weil man ja nicht mal Herzklopfen kriegen kann.
Und warum denke ich darüber nach?
Ein wenig unwillig schüttel ich meinen Kopf. Es gibt soviel wichtiges zu Denken. Ich will dass Herr Heller mit lernt, was ich nicht wissen darf und was mir doch im Blute liegt. Das Blut das mit lebend machte…Malfeis Blut…trägt die Saat in sich und damit trage ich sie in mir. Von Thomasso weiß ich, dass ich von verbotenen Früchten naschen muss, um Erkenntnis zu erlagen. Aber die Türe zu diesem Weg, den ich erlernen will, die gibt es schon in mir – es muss sie nur noch jemand für mich öffnen.
Türen die sich öffnen und schließen. Hab erst unlängst davon geredet.
Ich sehe mich selbst auf dieser Bank sitzten, auf diesem kleinen Spielplatz, auf der Mühleninsel in Landshut.
Vor mir diese Platte von Pitchfork.
Mir gegenüber.
Gero.
Zum Abschied habe ich ihn zaghaft gedrückt. Zaghaft, weil ich nicht wusste, ob es angebracht ist. Bin normal herzlich, aber…ich hatte irgendwie den Eindruck, als wolle er nicht, dass ich ihm zu Nahe komm. Mir war, als würde ich eine Grenze überschreite, als ich zu ihm ging und mich nur kurz an ihn drückte…zum Abschied. Weil er mir doch sympathisch ist und Menschen oder Wesen, die einem sympathisch sind, die drückt man doch auch wenn man sich von ihnen verabschiedet …nein?

….Fühle wie sich seine Hand über mein Gesicht legt, von oben nach unten streicht, so wie man einer Toten die Augen schließt. Ich bin tot, also schließe ich meine Augen. Seine kühlen Lippen berühren sacht meine Stirn. Mir wird ein wenig schwindelig. Verstehe nicht die Dinge die ich lese. Zuviel.
Als ich meine Augen wieder öffne ist er schon am gehen und ich muss ihm komisch nachsehen.
Nummer 5 lebt?

Einige Enten landen in diesem Kanal, machen Lärm und holen mich in die Wirklichkeit zurück. Katinka küsst mich dann und wann. Thomasso auch. Josefa manchmal. Habe gesehen, dass Ponte und Velasquez sich geküsst haben. Irgendwie ein seltsamer Anblick zwischen den beiden. Ist das bei den Brujahs üblicher?
Tiberius und Isa sind auch so, so nah. Zumindest er ist Brujah.
Sam…die war auch eine Brujah…hat mir gegenüber manchmal so Andeutungen gemacht. Vielleicht ist das bei den Brujahs wirklich anders.
Meine Mutter und Malekin küssen sich eigentlich nicht, nicht im herkömmlichen Sinne. Das einzige mal, dass ich es sah, nein die einzigen beiden male, als ich es sah. Wollter er sie töten. Hat er sie getötet. Irgendwie. Wäre es nicht so schrecklich gewesen, wäre ich neidisch gewesen. Sie waren ineinander verschlungen. Haben sich getrunken…über ihre Lippen…über ihre Zungen. Das Duell von Yhm?
Vielleicht küssen Brujahs gern.
So muss es wohl sein. Denn wäre es nicht so…warum wäre er dann in den Mails eher patzig?
…Und glaub mal nicht das ich auf deine Mail warte.
…Ach was weiß ich.
So barsch. Irgendwie. Er geht keine Linie. Er schlängelt. Ich kann Mails nicht lesen. Also ich kann sie natürlich schon lesen. Aber nur die Buchstaben, nichts dahinter. Ich wünschte fast, er würde mit der Hand schreiben. Damit ich sehen könnte, bei welchen Worten er zögert. Einfach aus Neugierde. Nicht mehr.
Dann würd ich besser verstehen und es ist doch gut Menschen zu verstehen, die einem sympathisch sind.
Ich ärgere mich.
Rutsche von dem Brückegeländer und schlage den Weg in unser Hotel ein. Katinka hat mich bis jetzt nicht wirklich auf die Ereignisse im Park angesprochen. Ganz typisch. Sie wartet bis ich anfange zu reden. Kann mich nur an ihren fragenden Gesichtsausdruck erinnern, nachdem Gero gegangen war. Genaus so fragend wie meiner.
Ich muss es zugeben. Er beschäftigt mich. Wenn ich nur wüsste warum.
Ich würde ihm gerne mehr Fragen stellen. Ganz unproffessionell. Nicht wegen Krell. Oder irgendwelchen Plänen. Persönliche Fragen. Fragen über ihn. Über das was er war, was er ist.
Ich will verstehen. Aber er hat mich schon zurechtgewiesen. Weil ich so viel frag, in meinen Mails. Werd mich vorerst zurückhalten. Vielleicht nerv ich ihn ja. Es geht mich ja auch nichts an.
Es juckt mich nur unter den Fingernägeln. Mehr nicht.
Ich bin neugierig und er schustert sich einerseits ein, was mich noch viel neugieriger macht.
Und andererseits, sind da Momente wo er mir fast ungeschützt scheint, was mich noch viel viel neugieriger macht.
Curiosity killed the Cat.
Miau.
Wenn ich ihm Fragen stelle, wenn er mir gegenübersteht, ist er nicht so abweisend… Nicht wirklich. Ich frag mich, ob er sich mit sich selbst einig ist.
Ich frag mich……..viel zu viel.
Was soll das?
Als ich vor dem Hotel bin, öffnet mir eine Angestelle die Türe, sie lächelt höflich.
“Das Abendessen wartet bereits auf ihrem Zimmer Frau Malekin!” Sagt sie im perfektem Deutsch und ich finde das echt seltsame.
Menschen die sich freien Willens trinken lassen, es genießen…üben eine gewisse faszination auf mich aus. Fast anregend.
Egal.

 

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