Kokain

30.11.2003
 
Es war ein absurder Abend. Bemerkenswert absurd. Katinka und ich waren von einer… Wir nannten es ‘ unangebrachten Albernheit’ erfasst. In Anbetracht das Bremen gerade von den Setiten übernommen worden war, Berlin von den freien Gangrel und der Sabbath hier in München tat wozu er Lust hatte…gab es wirklich keine greifbaren Grund um über alles und jeden zu kichern wie die Kinder. Doch wir kicherten.
Ein Guhl von dem Erschaffer des Abtes war anwesend. Beunruhigend freundlich und locker. Etwas das Katinka und mich hätte beunruhigen sollte. Doch wir kicherten.
Malekin der augenscheinlich freundlichst lächelte sah den Guhl nicht. Wollte ihn nicht sehen, weiß der Teufel. Er erklärte mir, dass ich ihn sehen würde, wäre der Beweis dafür, dass mein Verstand langsam versage…oder sich verändere. Er wollte mir unbedingt erklären, dass diese Sache zwischen uns drei… Ein Spiel sei. Und das ich spielen würde, ob ich wollte oder nicht. Aber dumm bin ich nicht und war ich nicht. Man kann Dinge so nennen, oder auch anders…sie bleiben was sie sind. Dennoch macht es einen Unterschied für jeden selbst. Man muss der kindlichen Kaiserin den Namen geben, den man selbst für sie hat. Egal.
Jedenfalls war ich ziemlich trotzig. Es amüsierte ihn, aber mir war das egal. Sollte er ruhig lachen über mich. Trotzig halt. Schließlich stand Katinka noch da und Malfeis kam hinzu. Und Malfeis fragte uns, wann Katinka ihn besuchen käme. Und er fragte, wann ich bereit wäre. Und ich….weiß nicht ob es an dem Abend lag, an meiner unangebrachten Heiterkeit…meinem Trotz…oder schlichtem Größenwahn…aber ich sagte ihm, ich  würde bereiter nicht werden, als ich jetzt sei. Und das überaus beunruhigende daran war. Es war die Wahrheit.
Ich erinnere mich gut an jenen Abend. Der Abend nachdem wir den Schneemann getötet hatten. Wir standen vor dem Spiegel. Meine Mutter, Malfeis und ich.
Malfeis stellte mir eine Frage. Eine Frage die mir bekannt vorkam, weil sie mir nicht zum ersten Mal gestellt wurde.
Er fragte mich, wie mein erstes Blut geschmeckt hätte.Wahnsinn.
Ich wusste nicht worauf er raus wollte. Nur Katinka wurde immer ruhiger. Trauer Angst Zorn? Ja.
Es war der Abend, als er mir sagte, dass es sein Blut gewesen sei, dass mich ins Unleben zurückgebracht hatte.
Ich wollts nicht haben. Ich wollts nicht wissen. War wütend auf ihn ..auf Katinka…traurig. Widerwärtigkeit. Die Vorstellung, dass nicht sie mich….geküsst…hatte. Ich beschloss es zu vergessen. Meine Mutter war was ich liebte und ist was ich liebe…nichts mehr zählt.
An jenem Abend jedenfalls, lies Malfeis mich wissen, er würde auf mich warten, wenn ich bereit wäre mit ihm zu reden, in seiner Residenz. Ich war mir sicher niemals bereit genug zu sein.
Das stimmte auch gestern noch…mein Blickwinkel hat sich nur geändert. Wirklich bereit ihn zu besuchen war und bin ich nicht…aber bereiter werd ich nimmermehr. Und ich…….bin….neugierig.
Und….Katinka und ich……kicherten auch danach.
Wir kicherten, als Frau Dulac mich in den Status eines Neonaten erhob – mich damit freisprach, Malekin Katinka zum Kind degradierte und sie obendrein in die Obhut von Georges gab.
Setiten hinterließen uns eine Nachricht..nein..sie hinterließen den Tremere eine Nachricht. Ein überaus gruseliger Vorfall und mir war kurzfristig sehr kalt geworden. Aber selbst danach wollte bei Katinka und mir keine echte Ernsthaftigkeit einsetzten. Es war wie ein Film, alle um uns herum waren nicht richtig echt. Irgendwie.
Das seine dazu, trug ein gewisser Herr Lavell. Katinka und ich vermuteten, er wäre von der PR-Abteilung von Haus und Clan Tremere. Er war unpassend angenehm.
Schließlich beleidigte Herr Copperpod noch den Prinzen und entfleuchte.
Mir war vage bewusst, dass alles ein wenig an Kontrolle verloren hatte hier. Aber zum einen hätte ich…als Stellvertretende Hüterin des Elysiums ( Warum hat er das getan?) Daran nicht wirklich etwas ändern können und zum anderen war ich ja nicht mal in der Lage, etwagige Elysiumsbrüche wahrzunehmen.  Keine Hände keine Keckse.
Herr Copperpod wurde von den Gelehrten in einem etwas, indifferenten Zustand zurückgebracht. Und der Kupferkessel sprach zu Taran, der Josefa hieß…nein heisst.
‘Die Wurzel allen Übels, beschwörst du herauf, wie du handelst und tust, in deinem Inneren…’
Später spricht er noch von einer Mondseele die hier in München sei und einem gewissen Proffessor Abraham. Der für ihn die Mondseele entdeckt hatte. Aber ich machte mir Sorgen über andere Worte. Josefa, wäre nicht wirklich Josefa. So wie Krell nicht wirklich Krell gewesen war und von Roelfs nicht wirklich von Roelfs.
Und ich konnte diese Sorge auch in Josefas Augen lesen…ohne ihr in die Augen sehen zu müssen.
Ich bot ihr an, ihren Tod zu betrachten, um uns zu vergewissern, dass sie keine Kopie von sich wäre. In der Sekunde, in der ich ihr das Angebot machte zogen die ersten Krähen auf. Unsere Krähen, nicht die von Tiberius oder Isa.
Sie saßen auf den Dächern und Stromleitungen, auf den Fenstersimsen…bis vieles…schwarz zu werden begann…und sie warteten. Kurz bevor wir beginnen wollten, klang Lärm vom Elysium zu uns, das obere Stockwerk. Und ob der Pflicht die mir …Malfeis auferlegt hatte, eilte ich nach oben.
Herr Sakebi hatte, aus welchem Grund auch immer, den persönlichen Guhl von Josefa bös zusammenfallen lassen.
Und ich war so böse auf ihn. Nicht weil er das Elysium gebrochen hatte, sondern weil er einen schwachen Menschen einfach so weg machte als wäre er nichts wert. UND ich war böse, weil er das Elysium gebrochen hatte…und ich ihn nicht wirklich dazu bewegen könnte, es zukünftig nicht zu tun. Josefa faltete den japanischen Ventrue zusammen..und ich….ich starrte ihn überaus vorwurfsvoll an.
Offensichtlich Vorwurfsvoll genug, den er entschuldigte sich…ausgiebig.
Es verging nicht viel Zeit, dann erschien ER zum zweiten Mal an jenem Abend. Und es war ganz fürchterlich. Die versammelte Gemeinschaft von Kainiten schwieg, als er jene nach vorne zitierte, die das Elysium gebrochen hatten. So viele. Und ich hatte es nicht wahrgenommen. Er verwarnte sie. Was weit mehr bedeutet, als ich hier mit Worten beschreiben könnte.
Danach verschwand er – augenscheinlich.
Denn auch wenn sein Körper, durch die Türe nach draussen verschwunden war, konnte ich ihn….fühlen. Wurde ich seiner Anwesendheit gewahr. So wie man weiß, dass man krank wird, obwohl man weder fiebert noch hustet. Seine Präsenz war für mich fast greifbar. Er war da und er würde alles sehen und wenn er noch jemanden finden würde, der sich nicht an die Spielregeln hielt…
Und ich wusste es. Keine Ahnung …Gewissheit.
Es war nicht diese Gefühl, als würde er mir in den Nacken starren, dass mich sicher sein lies, er war anwesend. Er war…..der Raum um mich herum. Er war die Luft die mich umgab. Und
Ich.
Atme.
Ihn.
Ich bin der Auserwählte in der Matrix.
Ich habe Fieber. Fever.Heiss.
Meine Aufmerksamkeit, gilt den Kainiten um mich herum. Ich.Lese.Jedes. Buch. Ich kann es lesen. Sie lesen. Jede Sprache. Ich höre Katinkas Gedanken wir Worte und es ist richtig so. Warum die ewig lange Zeit warten, bis sich jeder einzelne Buchstabe über die Nerven hinweg zu ihrem Kehlkopf gepflanzt hat, damit irgendwann mal Schall über ihre Lippen dringt.
Ich bin vergiftet. Ich bin ich und die Auserwählte nicht zwei geteilt sondern eins. Ich brenne und das lässt mich kalt.
Andere Kainiten laufen an mir vorbei und es ist kurzweilig interessant. Oder nein, es ist… Mehr die Hoffnung..nein..die Möglichkeit sie könnten interessant sein..die mich hinterher blicken lassen. Mit den Augen. Den Kopf zu drehen ist es nicht wert. Dennoch gehe ich ein paar Schritte um zu sehen, ob sich die Welt um meinen Löffel biegt.
Ich bin ich und ich bin krank. Alle alle meine Bücher. Ich kann alle meine Bücher sehen und ich kann sie ineinanderstapeln vereinen. Jeden Buchstaben mit dem nächsten bis nur noch schwarze Seiten überbleiben und selbst die kann ich lesen. Ohne Schwierigkeit. Und das ist so berauschen, weil ich das noch nie konnte, weil ich nicht mal..nicht annähernd so viele Bücher gesehen habe. Geschweige denn, mehr als drei oder vier zur gleichen Zeit lesen. Es hätte mir den Kopf gesprengt. Anna ist das Kind vor dem Weihnachtsbaum und bekommt jedes Geschenk, dass sie schon immer wollte und sie will vor Freude und Faszination lachen und tanzen. Anna ist der Weihnachtsmann.
Ich lasse Malekin, die vor mir steht zurück und wandel durch den Raum…oder ich will wandeln und der Raum ist es, der sich beugt, damit ich dort stehen kann, wo ich stehen will. Es macht keinen Unterschied.
Ich glühe. Tausend Dinge gleichzeitig.Ich will hysterisch Kichern, weil ich keine Worte habe und dieses Gefühl aus zu drücken dass mich durchfließt, besitzt, ich besitze…nein bin….das Wissen dass mich keiner der anderen verstehen würde. Ich existiere gleichzeitig. Lachend weinend. Verzweifelnd. Lesend. Verstehend. Kreischend. Ich lege alle farben übereinander und bin weiß und Anna steht im Raum und man sieht ihr kaum an, dass sie Innen größer ist als aussen…dass sie mehr ist als der Raum und alle jene in ihrer Nähe nicht mehr sind, als die Möglichkeit vielleicht interessant zu sein.
Berauscht. Ja beschrauscht. Ich langweile mich. Nichts. Interessantes. Hier.
Dann macht jemand das Licht aus und ich steh im Dunkeln. Mit meinem Buch. Es heisst Leere. Und ich habe eine Sekunde die blanke Panik, weil meine Bücher weg sind. Die Anderen. Die vielen. Weil ich sie nicht mehr alle sehe. Ja, weil es mich anstrengt, nur ein Bruchteil wieder zu entdecken, dabei weiß ich doch, sie sind da.! Ich hab sie gesehen! Gelesen! Es sind MEINE Bücher. Ein Gefühl von Gier kriecht in mir hoch und das ist so wiederwärtig, dass ich es auf der Stelle vergesse und mich setzte. Und mich wundere. Ich fühl mich …. Verbraucht.

Katinka fährt und ich starre aus dem Fenster in die Nacht.
Irgendwie, war alles um mich herum nichts. Nichts im vergleich zu mir und dass ich das so empfunden habe ekelt mich an. Ich ekele mich an. Theoretisch hätte ich, mit all dem Wissen…soviele schützen können, so viel Fehler korrigieren…so viel tun….aber…ich hab nicht mal darüber nachgedacht und das ist so….so…. Ich weiß wohl, was dieses Gefühl war, dass mich erfüllte.
Ich kann mich sehr gut erinnern. An mich. Zu erfassen was..nein wie ich sah…nicht.
Ich kann mich sehr gut erinnern. Und ich wünschte ich könnte es nicht.
Malfeis hat mir etwas geschenkt.
Verständnis.

 

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