Another Day in Paradies

In einem Raum der für ungefähr 3 ausgelegt ist befinden sich ca 15 Menschen. Die eine Hälfte davon raucht, die Andere tut sich das freiwillig an. Warum? Es ist gemütlich. Ausserdem beruhigt es ungemein im Gesicht des jeweils Anderen, das wieder zu finden, was einem das eigene Spiegelbild kurz nach dem Aufwachen schon unerbittlich vorgeführt hat. Kissenfaltenabdrücke und Überbleibsel von Sabberspuren, kurz gesagt – Schlafreste.Ein Blick auf die Uhr verrät. 5:25.
Hurra. Es ist wieder Frühschicht.

Kurz vor Frühlingsanfang, es ist schweinekalt, Sschneeflocken…das alles motiviert ungemein.
In einem boshaften Augenblick betrachte ich die Kollegen um mich herum und muss an einen der Zombiefilme meines Freundes denken.
Der Morgen der lebenen Toten.
Ich frage mich, wie man diese Menschen wohl zum Einen wach und zum Anderen aus diesem Raum raus bekommt, da ruft eine Stimme aus dem Nichts das Zauberwort.
"Kaffee ist fertig."
Es dauert keine 10 Sekunden und alle sind in die Küche verschwunden. Beeindrucken, zu welchen Fähigkeiten einem die Sucht nach Koffein verhilft. Das schwarze Gold des Schichtarbeiters erweckt sogar Totgesagte zu neuem Leben.

Eine von dieser wiedererweckten Toten bekomme ich heute mit auf meine abenteuerliche Fahrt ins Ungewisse, oder einfach raus auf das Vorfeld.
Der Vorteil daran ist, man hat den Tag über einen Ansprechpartner und geiert nicht die ganze Zeit allein dahin.
Der Nachteil ist, manche sprechen auch schon vor 10.00 Uhr, was zur Frühschicht gar nicht geht, aber egal.
Ich muss ja schließlich auch mit den Piloten sprechen. Kommunikation hilft und so ein Flugzeug kennt keine Gnade, das geht auch kaputt, wenn der dazugehörige Techniker noch nicht wach ist.

Natürlich darf der Mensch im Cockpit nicht ahnen, dass ich noch nicht wach bin, also versuche ich es mit einem freundlichen Lächeln zu kaschieren,während er mir alles mitteilt was er weiß.
Alles.
Das mein ich auch so. Er hält mir das technische Log Buch unter die Nase, erzählt mir dass diese Problem schon gestern da war, er gibt mir ein Klemmbrett, auf dem eine seiner Listen ist wo auch was drauf steht, der Copilot würzt die Ausführungen des Piloten noch mit bestätigenden Kommentaren und hält auch nicht mit den Dingen hinterm Berg die er weiß.
Ich bin gut erzogen.
Ich höre zu, nicke und gebe Laute von mir die dem Sprecher vermitteln, dass ich alles kapiert habe.
Ein wenig erinnert es mich an Telefongespräche, das machne Kollegen mit ihren Frauen führen.
"Ja Liebling, Natürlich Liebling. ja ja. ja..aha..wie du willst…mhmm.."
Der Pilot hat natürlich recht damit mir alles zu erzählen, das ich wichtig. Er kann nicht dafür, dass ich um diese Uhrzeit die Aufnahmefähigkeit von eine Stück Stein habe.
Als sie beiden nach 5 Minuten geendet haben, verweisen sie noch auf das eigentliche Problem.
Eine Meldung auf ihrem Bildschirm der ihnen erzählt, wo am Flugzeug welche Unregelmäßigkeiten herrschen.

Damit die Pilot nicht auf die Idee kommen, den Flieger selbst zu reparieren, ist das alles möglichst kryptisch ausgedrückt (zumindest ist das der Verdacht den ich habe, welchen Grund hätte es sonst etwas das 'Baum' heisst, mit einer Bezeichnung wie: GHKP (Grüne-Hydo-Kultur-Pflanze) zu versehen…das nur als beschreibendes Beispiel)
Auf diesem Bildschirm steht nun etwas von 'proximity fault bla blub' was alles heissen kann und nichts.
Wenn man den Job ne Weile macht, kennt man natürlich seine Pappenheimer.
Die Herren aus dem Cockpit laufen um das Flugzeug rum und machen ihre Checks und als sie wieder zurück kommen ist der Fehler weg.
Freilich sagt der Pilot.
"Oh, wie hast du das gemacht?"
"Hab die Türe zu und wieder auf gemacht…" antworte ich. Und der Blick den er mir darauhin zuwirft seh ich nicht zum Erstenmal. Es ist der forschende Blick eines Mannes der in meinem Augen die Bestätigung dessen sucht, was er insgeheim vermutet, nämlich, ich würde ihn wohl vergackeiern wollen.
Natürlich tu ich das nicht.
Darum findet er auch nicht was er sucht.
"Na dann…" sagt er abschließend und stellt keine weiteren Fragen.
So ein Flugzeug kann eigenartig sein, wenn man vorn drauf haut wirds hinten hell und umgekehrt. Natürlich ist das alles im Detail logisch verfolgbar, aber wenn mans von Aussen betrachtet, wirkt das was wir tun bestimmt dann und wann ein bisschen wie..ein Feuerzeug im Mittelalter.
Das lässt mich trotz der Uhrzeit vergnügt sein.

Der Morgen schleicht sich so dahin, mein Kollege hüpft eben aus dem Auto, um irgendwelche mechanischen Dinge zu reparieren. Und weil da zwei Leute einer zuviel ist bleib ich im Wagen und warte. Und weils nun mal eben so ist, dass ich am Tag zuvor Zwiebeln gegessen habe, passiert – was sich manchmal nicht vermeiden lässt und Sekunden später wird der Innenraum des Autos von dem Geruch fauler Lappen erfüllt.
Da muss man wissen, das Blähungen nichts sind, worauf wir Frauen sonderlich stolz sind. Wenn es nach uns ginge, würden wir diesen Teil unserer Körperfunktionen gerne ersatzlos streichen….
Leider geht es nicht nach uns und um meine Untat bis zu der Rückkehr meines Kollegens zu vertuschen, öffne ich alle Fenster und seh zu, dass ich möglichst viel von der Faule-Lappen-Essenz an die Umwelt los werde – frage nicht nach Umweltschutz.
Um mein Treiben vor meinem Kollegen geheim zu halten, mach ich die Fenster wieder hoch bevor er zurück kommt. Der ist ja auch nicht dumm und würde sofort ahnen was sache ist.
Denk ich mir so.
Der Kollege kommt auch bald wieder. Tür auf. Kollege rein. Tür zu.
Dann blinzelt er.
Dann schnuppert er.
Dann sagt er: " Du stinkst."
Danke. Wäre er eine Frau hätte er großzügig darüber hinweg gerochen und mich nicht darauf angesprochen.
Aber hier läuft das nicht so, wenn solche Dinge bemerkt werden kommen sie unzensiert auf den Tisch.
Ich kämpfe damit nicht peinlich berührt zu sein. Meine Kollegen machen das dauernd, also gibt es keine Grund mich zu schämen.
Dementsprechend werfe ich ihm ein völlig geschauspielertes "Na und?" entgegen.
Daraufhin lächelt er und grinst breit.
„Du wirst noch ein echter Kerl.."
..und ich zweifel daran, ob das nun wirklich das Kompliment ist, nach dem es sich anhört.

Zur Pause werfen wir uns in das Aquarium, also der Raum nahe dem Vorfeld, wo wir eben zur Pause lauern. Aquarium heisst es dewegen, weil es eine große Fensterfront hat und wie dahinter hocken wie die Fische im Glas. Den Mund machen wir auch dauern auf und zu und mehr wie heissen Luft kommt da nicht raus.
Jedenfalls zur Pausen, tun wir, was man eben so tut, essen, lesen oder auch spielen.
Für letzteres hat sich unser Jüngster entschieden. Virtuelles Poker, ist das Spiel seiner Wahl.
Hinter ihm sitz ich mit einem Kollegen und wir sehen ihm so zu, wie er seine Karten bekommt, Geld setzt …verliert.
Karten bekommt…Geld setzt..verliert.
Es dauert nicht lange bis wir in seinem System das Muster erkennen.
Jetzt hab ich ja mit Poker nicht viel am Hut, aber wohl weiß ich, dass einer DER Bestandteile des Pokerns, das bluffen ist.
Natürlich stelle ich mir die Frage wie man wohl eine Computer bluffen kann, aber gut – ich halt einfach die Klappe.
Mein Kollege neben mir natürlich nicht, er stupst mich an und sagt, laut genug, dass er Mr. Pokerface auch ja mitbekommt.
"Guck ihn dir an, der ist so unbedarft, den ziehen sogar Bits und Bytes über den Tisch"
Ich könnt heulen vor Lachen.
Der gleiche Kollege hat heute überhaupt die 'Target for alle blöde Sprüche' Karte gezogen.

In einem äusserst männlichen und immer wieder aufkeimenden Gespräch über die zweifelhafte Befähigung möglichst viel Alkohol vertrage zu können. (und ich weiß bis heute nicht, warum sie immer wieder darüber sprechen!) lässt eben jener Kollegen verlauten:
"Mittlerweile vertrag ich aber auch ganz schön, das letzte Mal hab ich zwei Gläser getrunken ohne das es mich umgehauen hätte"
Jetzt muss man wissen, dass dieser Kollege keine bemerkenswerte Fettreserven hat oder sonst irgendwelche körperliche Substanz, die es ihm ermöglichen würde Alkohol in größeren Mengen zu verarbeiten. Nicht so schlimm finde ich. Egal. Jedenfalls hat der Jungspund noch gar nicht fertig gesprochen, da gröhlts schon von der Anderen Seite am Tisch.
"Ah geh, mach di doch ned wichtig. Dir gib i doch vorm Schlafen gehn nedamoi an Spezi, von der hoiben cola drin mochst du doch die ganze Nacht koa Aug zu.."
Wer den Schaden hat, der braucht für Spott nicht zu sorgen….und ich weiß wovon ich rede.

Die Frühschicht nähert sich langsam aber sicher dem Ende, da ist noch ein Auftrag zu reparieren von einem Sitz. Um selbiges zu tun, bedarf es dann und wann den Einsatz von roher Gewalt. und weil ich das weiß, hab ich mir keinen Spielzeugschraubendreher mitgenommen, sondern einen für große Jungs. Mit dem hebel und stocher ich dann qualifiziert in den Sitzschienen Innereien herum, als ich eine Männestimme hinter mir höre. Und nicht nur das, ich höre auch, dass er einen Hauch anzüglich grinst, als er sagt.
"…du hast da n ziemliches Gerät in der Hand."
Ich guck nicht auf, weil ich grad am arbeiten bin und erwider nur.
"..blos kein Neid, mit Technik kannste ein bisschen was wett machen."
Mann schweigt.
Stewardess beginnt zu kichern. Mir schwant böses und ich seh doch auf. Ein Kollege ist es schon, allerdings einer aus dem Cockpit. Huch?
"Auf den Mund gefallen biste auch nicht hm?" erwidert er und grinst.
Ich freilich auch, froh dass er das mal nicht persönlich nimmt, arbeit weiter und murmel nur.
"irgendwas muss ich ja können…"
Irgendwas, den Sitzt jedenfalls krieg ich nicht zusammen und das heisst solange er kaputt ist, darf da keiner drauf sitzten.
Der Kollege aus dem Cockpit lässt sich die Gelegenheit freilich nicht entgehen
"..na mit der Technik happerts aber ein wenig was?"
Ich heb nur den großen großen Schraubendreher an und sag.
"..und wenn dir das auch mal passiert, dann frag mich einfach, ich leih dir den hier dann…"
Das war dann auch das letzte Event an dem Tag. Eben eine weitere, völlig normale wahnsinnige Frühschicht.

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