Suizid

Das neue Jahr hat begonnen. Wie wundervoll nicht wahr?
Schnee. Die Luft eisig kalt. Man spürt das man lebt. Nicht wahr?
Und dann gehst du nach Hause. Schaltest die Stereoanlage ein, oder den Fernseher. Du setzt dich auf deine Couch und fühlst dich leer. Vielleicht bereitest du dir noch etwas zu essen, verspeist es. Nahrungsaufnahme – nicht mehr. Dein Roman ist beendet. Etwas neues schreiben? Noch nicht. Mit Freunden weg gehen – vielleicht. Was heisst das? Du rufst an, ihr verabredet euch, ihr trefft euch, ihr redet – selten über etwas was dich bewegt. Nicht wahr? Dann fährst du wieder heim. Machst das Licht an. Siehst dich um. Leise. Leer. Schnürt das dein Herz ein? Du machst Musik an. Aber keine Musik ist so laut, um diese Stille zu übertönen. Nicht wahr? Diesen Punkt schleppst du schon dein halbes Leben mit dir. Die Panik davor, nichts in deinem Leben zu haben, für das es sich zu leben lohnt. Du hast nicht verstanden, dass dir niemand einen Grund geben kann. Nur du. Nur du. Nur du. Nicht wahr? Oder vielleicht hast du sogar verstanden, aber jetzt hilft dir das nichts. Jetzt sitzt du da. Innerhalb weniger Wochen bist du stärker abgesunken als jemals zuvor. Innerhalb weniger Tage so tief, dass du nicht mal mehr um Hilfe bitten willst. Um was auch bitten? Niemand kann dir geben was du brauchst. Nur du. Nur du. Nur du. Also warum fragen? Warum zu anderen gehen, wenn dir niemand helfen kann. Nicht wahr? So weit weg. Das es Menschen gibt die dich lieben, ist dir bewußt. Vielleicht glaubst du es ihnen sogar. Nein..natürlich glaubst du es ihnen. Aber auch das hilft nicht. Auch dass dringt nicht durch die Stille. Es ist so, aber nicht für dich erreichbar. Nicht wahr? Oder vielleicht ist es dir auch egal. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Du triffst eine Entscheidung. Schon während der Woche. Noch während du arbeitest. Noch während du dich mit Freuden triffst. Vielleicht schon früher, aber erst in der letzten woche wird alles so undurchdringlich, dass du es nicht mehr schaffen willst. Nicht WILLST! Du könntest, aber du willst nicht. Tu was du willst. Ich glaub ich kotz.
In deinem Kopf entsteht ein Bild.

Ein Bild das sehr friedlich dar liegt. Dir Frieden verspricht. Was kann dich denn noch quälen? Vorbei ist vorbei..nicht wahr? Aber es ist ein schwieriger Weg zu sterben. Nicht wahr? Es gehört schon irgendwie Mut dazu. Nicht wahr? Diese Klinge zu nehmen und sie durch die Haut zu drücken – entlang zu ziehen. Nicht wahr? Und ich weiß wovon ich rede. Aber auch wenn alles in dir nach Ruhe schreit, bringst dus nicht fertig. Du zögerst. Und du hasst dich dafür, nicht mal das zu schaffen. Nicht wahr? Dein Leben ist so sinnlos und du bist zu schwach es zu beenden. Nicht wahr? Aber wenn man dir etwas nicht vorwerfen kann…dann inkonsequenz. Wenn du deinen Weg hast, dann gehst du ihn. Komme was wolle. Und du hast deinen Weg. Wenn es im Affect nicht geht. Dann wirst du die passenden Vorraussetzungen schaffen.
Also reservierst du ein hübsches Hotelzimmer. Etwas edles. Nicht wahr? Irgendwo, wo es ruhig ist. So ruhig, wie du ruhig sein willst. Die Fahrt dorthin ist seltsam. Äusserlich unterscheidet sie sich nicht von allen anderen Fahrten die du tust. Aber innerlich ist es…anders… Wie eine Reinigung? All die bösen schlimmen Sachen die dich belasten, denen fährst du einfach davon. Nicht wahr? Irgendwo ganz tief in dir drin, gibt es wohl eine Stimme, die weiß und dir davon erzählt, was du vorhast. Dich vielleicht warnt. Aber sie kann dich nicht beunruhigen. Du machst nichts großes in deinem Leben. Warum sollte das Leben dich vermissen?
Du bist freundlich an der Repzeption. Die junge Frau ist freundlich zu dir. Sie hat keinen blassen schimmer. Ahnt nicht das geringste. Wie auch. Du hast nicht viel Gepäck dabei. Gar keins? Deinen Rucksack. Nicht wahr? Da ist alles drin was du brauchst. Nicht wahr? Was tust du als du in deinem Zimmer bist? Gehst du noch mal spazieren? Oder willst dus gleich hinter dich bringen? Siehst du dich noch um? Aus dem Fenster? Ist es still oder hörst du Musik, als du eine Tablette nach der anderen nimmst? 5 Schachtel.5 Schachteln voller Schlaftabletten. Wo zum Teufel hast du die her? Die alleine sollten reichen. Nicht wahr? Aber. Dir reichen sie nicht.

Du nimmst sie nicht wirklich um daran zu sterben. Du nimmst sie um dich genug zu benebeln, um die Rasierklinge führen zu können. Nicht wahr? Ein Leichtermacher…und eine Rückversicherung…nicht wahr? Wie lange dauert es bis du all diese Tabletten geschluckt hast? Eine Stunde? Zwei? Du bist gut im organisieren. Als es an der Zeit ist, lässt du heisses Wasser in die Wanne. Im warmen Wasser spürt man den Schnitt durch die Haut nicht so. Nicht wahr? Da stirbt sichs leichter. Nicht wahr? Was geht in dir vor? Unruhe nicht mehr. Angst? Nicht mehr. Leise Trauer. Vielleicht. Aber dann ist es endlich vorbei. Nicht wahr?
Schließlich legst du dich in die Wanne.
Die Rasierklingen anbei. Die Tabletten tun ihre Wirkung. Völlig lösgelöst von der Erde. Jetzt ist es an der Zeit. Nicht mehr zögern. Keinen Grund zum zögern. Kaum Schmerzen. Wie tust dus? In der rechten die Klinge? Den linken Arm schneidend? Tief. Du bist nicht zu feige um dass zu tun. Der Länge nach. Du bist nicht zu dumm um das zu tun. Zwei Schnitte am ende die sich kreuzen. Wie eine Unterschrift, nur um sicher zu gehen. Hat jemand gesagt das tut nicht weh? Es tut weh..nicht wahr? Dich zu schneiden schmerz zweierlei. Der Schnitt…und du, der innerlich aufschreit, weil du dir das antust. Wie leer kann man sein? Wie sehr kann man sich hassen? Aber der Punkt ist überschritten. Kein Zurück. Nicht wahr? Es ist schwer, mit der geschnittenen Hand, die Klinge zu führen um die rechte zu öffnen. Es geht, aber es schneidet nicht zu tief. Egal. Egal. Der Hals. Die Kehle. Aller Guten Dinge sind drei. Nicht wahr? Ein Schnitt quer… Links und Rechts vom Kehlkopf..zwei und drei. Irgendwo…irgendwo dort in der Nähe ist doch eine Hauptader. Nicht wahr? Die musst du nur erwischen. Dann herrscht Ruhe..nicht wahr? Du weiß schon nicht mehr was du tust. Du hast die anderen Gedanken schon verloren. Gehst den einzige Weg, an den du dich im Moment erinnerst. Und er färbt das Wasser in der Wanne rot.
Tod.
Gestorben bist du. Innerlich. Dein Körper wehrt sich. Er liegt über 16 Stunden, voller Chemie, ausblutend…im mittlerweilen kaltem Wasser. Man findet ihn. Man belebt ihn.

Man zwingt dich wieder in ihn hinein. Alles was du wahrnimmst. Ist wie sie dich aus dem kühlen roten Wasser ziehen. Und du empfindest es als echte Rettung.
Die nächsten Tage sind nur Traum.
Deine Mutter die um ihre Fassung ringt.
Dein Vater, der sich bemüht dich zu verstehen.
Deine Schwester, die keine Worte hat.
Dein Bruder der dich versucht zu behandel wie immer.
Niemand der dir Vorwürfe macht.
Niemand der dich beschimpft. Nicht wahr?
Ich sitzte an Deinem Bett. All diese Verbände an deinem Körper.
Und du erklärst mir ganz gelassen. Ich dürfe mir keine Vorwürfe machen. ES hätte nichts mit mir zu tun.
Ich nicke. Ich mache mir keine Vorwürfe. Ich weiß, dass ich nicht die Verantwortung für dein Leben trage. Nur du.
Nur du.
Nur du.
Aber dieses Bild macht mich wahnsinnig. Dich so zu sehen nimmt mir alles an Kraft. Wärst du daheim gewesen. Hätte dich niemand gefunden. Dann wärst du. Tod. Tod. Tod. Nicht wahr? Aber ich kann mich doch nicht sorgen, weil ich eine Woche nichts von dir hör. Es ist doch dein Leben. Ich hab dich angerufen. Dich gefragt, ob alles in Ordnung ist. Es war so seltsam, dass du mir ein Päckchen schickst, obwohl wir uns doch regelmäßig sehen. Hast dus da schon gewußt? Du hast. Nicht wahr? Dafür mache ich dir Vorwürfe. Dass du mir nicht vertraust. Dass du nicht ehrlich zu mir bist. Dass du mir nicht gestattest dir zu helfen. Ich kann doch helfen. Ich bin doch auch für dich da, wenn ich nicht deine Beziehung bin. Ich bin doch nicht weniger Freundin deswegen. Es schmerzt mich so wahnsinnig, dass ein Mensch, der mir wichtig ist, keinen Grund zum Leben in sich findet. Und ich kann nichts tun. Nichts. Ich konnte nicht. Und nun?
Nun sitzte ich an deinem Bett. Halte deine Hand. Ich rede ruhig mit dir. Was du erzählst, erzählst du. Was du nicht erzählst. Erfrage ich nicht. Du musst erzählen. Was in dir vorging. Und ich verstehe es. Natürlich verstehe ich es. Aber ich muss mir eingestehen. Es ist viel einfacher. Selbst davon zu laufen, als dabei zu stehen. Ich begreife jetzt erst. Wie Unfair es den anderen gegenüber ist, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen.

Aber was scheren einem die anderen, wenn man selbst am Ende ist? Ich hasse es zu verstehen warum. Ich würde dich lieber mit Vorwürfen überschütten. Ich würde dir am liebsten in deinem Kopf hämmern, was du getan hast. Wieviel Vertrauen du gebrochen hast. Was du jedem einzelnen damit angetan hast. Aber du weißt es. Ich weiß, dass du es weißt. Ich sehe es in deinen Augen.
Du bist nicht stolz darauf. Aber du stehst dazu.
Der Absolute Nullpunkt.

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