03.Eva sucht Vampire

Nacht. Natürlich.

Ich bin an diesem großen See in dem Wave Hill Park. Sehr ruhig. Sehr sehr schön. Würde die Luft ein wenig mehr nach Salz riechen, würde ich mich fast heimisch fühlen. Rücklings liege ich auf einer Parkbank und starre in den Sternenhimmel.

Es hat zigtausend und noch mehr Sterne dort oben. Es ist an mir diejenigen rauszupicken, die weniger leuchten als die anderen. Schon mal in den Sternenhimmel geguckt?

Die Nadel im Heuhaufen ist dagegen eine Sonntagnachmittags beschäftigung. Wenn das hier eines meiner Märchen wäre, dann würd ich ganz fest die Augen schließen und mir wünschen, dass jemand vorbei kommt. Jemand wie ich.

Ich schließe meine Augen und versuche das Wissen, dass ich habe zu ordnen, vielleicht bringt es mich auf eine Idee…

….durch meinen Kopf fließen die Worte meines Vaters…es gibt den Clan des Tieres, jene mit den Wolfohren und den Rabenaugen, jene die am besten damit umzugehen wissen, wer und was sie sind…jene sah ich…damals in Zagreb, bei dem Prinzen besuch….es gibt den Clan der Gelehrten…in unseren Gefilden sind es ehrenhafte und kluge Krieger, doch es soll auch solche geben, die in ihrer Kraft baden und davon berauscht keine Regeln kennen….er meinte, bei ihnen wäre es leichter als bei anderen…sie über eine Grenze hinaus zu schubsen…einer von ihnen war des Prinzen rechte Hand, ich erinnere mich genau…Der Prinz selbst gehört zu den Königen….das hab ich sofort verstanden….Prinz = König…logisch….sie sind Puppenspieler…diejenigen, die die Fäden in der Hand halten…. … Es gibt Rosen…die Rosen sind uns so unähnlich nicht, sie besitzten die Begabung…Dinge in ihrer Gesamtheit zu erfassen…sie sehen wie wir….Muster…doch sie können sie nicht verstehen…dass unterscheidet sie von uns….und dann hats es noch….und es schien mir als wolle er sie nicht so recht mögen….einen Clan von Hexern….jene wären unserer Art..den Mondkindern..am nächsten…nur bei weitem besser organisiert….einen von diesen verschiedenen soll ich finden soll…. Na Bravo.

Ich könnte wohl, wenn wir jemand gegenüber stünde …lesen…ob er lebt oder nicht. Aber ich kann doch nicht ganz New York lesen! Es ist zum Mäusemelken.

Während ich auf meiner Bank liege..vernehme ich Schritte. Schwere große Schritte. Jemand setzt sie bewusst, dass hör ich an der Art und Weise wie er geht. Es….es ist ein Mann…oder eine große kräftige Frau…Er/Sie geht den Weg entlang der an meiner Bank vorbeiführt.

Flugs setzte ich mich auf und blicke ihm/ihr entgegen.

IHM. Seine Gestalt tritt in das Licht einer Laterne und mir will mein Herz stehenbleiben.

Huch. Sagen wir, es würde stehenbleiben.

Ein Mann…hochgewachsen in dunklen Kleidern…seine Haut so blass, als hätte er noch nie die Sonne gesehen. Als er in das Licht tritt schiebt er eine Sonnenbrille von seinem Kopf auf seine Nase. Doch die Sekunde die ich hatte, hat mir gereicht um es zu sehen. Seine Augen! Tieraugen! Gelbe Schlitzaugen wie bei einer Katze.

So wie Wolfohren nur anders.

Ein Vampir. Es muss einer Sein. Ich starre ihn förmlich an, durch ihn durch und versuche seine Farben zu lesen. Nur dem i-tüpfelchen zuliebe. Doch ich bin so aufgeregt, dass sich das Verschieben nicht so richtig einstellen will und der geht ja einfach weiter! Eine Gelegenheit muss man am Schopfe packen, so spring ich auf und haste ihm nach. Im gebührenden Abstand. Womöglich ist er trotz seines jugendlichen Aussehens ein Alter und wenn ich dem zu arg auf die Pelle rücke….

Er weiß genau wohin er will…den Weg durch den Park bis zu der U-bahn, hinab- hinunter- hinein…ich hinterdrein…wohin wir fahren weiß ich nicht, ich kann es immernoch nicht fassen, dass ich einen erwischt hab. Es mag 20 Minuten sein oder eine Stunde als wir wieder an die Oberfläche kommen….durch ein paar Straßen, in eine Gasse und dort….verschwindet er eine Kellertreppe runter. Ein Geheimer Treffpunkt.

Unnötigerweise atme ich einmal tief ein und aus und folge ihm.

Die Kellertreppe endet an einer hölzernen Tür. Von drinnen hört mal leisen Lärm. Es erinnert mich ein wenig an Maschienen. Meine Güte, was tun die dort drinnen? Neben der Türe pragt ein Schild.

‘Art of Noise’

Strictly Dresscode!!

Die sind ulkig.Schreiben Dresscode aber nicht was für einen. Ich fühle mich unwohl, wie damals als wir zum erstenmal nach Zagreb fuhren. Aber es wird mir nichts helfen.

Schritt für schritt.

Stufe für Stufe.

Klopf. Klopf.

Ich poche an die Tür und ein Wächter öffnet mir.

Blitzschnell vergleiche ich die Dinge, die ich weiß, mit dem was ich seh und komme zu dem grandiosen Schluss. Es ist so ein Gelehrter der neuen Art. Ein RIESEN Kerl mit Oberarmen die andere als Beine benutzen würden. Und vielen Bildern auf der Haut. Und viel schwarzes Leder. Auch er trägt eine Sonnenbrille…als er mich sieht, rückt er sie auf die Nasenspitze vor und mustert mich eingehend von oben bis unten und zurück.

Ich steh wie vor dem Prinzen und getrau mich nicht recht ihn anzusehen.

‘Mit den Klamotten kommst hier nicht rein!" Sagt er und macht mir die Tür vor der Nase wieder zu.

Äh? Hallo?

Meine Unterlippe schiebt sich vor …und ich guck die Tür vorwurfsvoll an, als ob die was dafür könnt. Und was hat er gegen meine Kleider?

Eine dunkelgrauer langer Strickrock. Einen schwarzen dünnen Pulli drüber und schwarze Turnschuh. Das ist tierisch bequem!

Da steh ich bestimmt 15 Minuten, dann kommt geradezu ein Pulk an Leuten die Treppen runter…auch alle irgendwie Schwarz gekleidet und….blass….ich will den Gedanken weiterdenken, doch die Tür öffnet sich, der Haufen schiebt sich rein und ich einfach mit ihnen. Es ist ja nicht mal so, dass ich das jetzt geplant hätte. Doch der Wächter redet mit einer jungen Frau, die sich nicht so viele Kleider leisten kann und hat mich vermutlich einfach vergessen.

Eine Art Vor…Halle wäre übertrieben. Eingangsbereich halt. Es brennen überall roten Grablichter. Ist etwas morbide…doch macht hübsches Licht. Der Lärm, den ich draussen schon vernommen habe…ist hier um ein vielfaches Lauter. Schon beinah unangenehm.

Es sind schon einige Leute da…ob das wirklich alles Vampire sind? Es sind schon einige dabei die ziemlich skuriel aussehen und ich glaube da und dort auch ein paar Fänge blitzen gesehen zu haben. Doch ich mag mich täuschen. Irgendwas stört mich, doch ich kann es nicht in Worte fassen.

Durch zwei Flügentüren hindurch betrete ich – eine andere Welt.

Der Lärm ist höllisch laut. Die Beleuchtung echt mies. Das Licht flackert total. Blitzt geradezu. Irgendwo durch meinen Kopf geistert das Wort Stroboskop. Aber hier…hier sind es blitze. Die Einrichtung ist….schwarz. Alles hier ist ziemlich schwarz. Die Sofas, die Theke. Die Tische, die Stühle..die Kleider der Leute und sogar einige der Anwesenden. Auf dem …theoretisch…freien Platz in der Mitte tummeln sich ein Haufen dieser ‘schwarzen’. Sie zucken im Takt des Maschinenlärms. Eine großen homogene Suppe. Das ist faszinierend und mich befällt für einen Moment das Bedürfnis, das gleiche zu tun. Mich einfach hineinfallen lassen und darin ertrinken. Aber…ich muss den Vampir finden. Das gestaltet sich schwieriger als man glauben mag. Alle sind blass hier. Alle dunkel gekleidet. Groß Klein Dick Dünn. Mein Blick fällt zum Tresen und wieder ist mir das Glück hold…da steht er. Und bevor er mir noch einmal entkommt eile ich auf ihn zu.

"Entschuldige….ähm..ich mein ..Entschuldigen sie!" Sage ich, und bei diesem Lärm verliert sich meine Stimme fast.

Der Mann dreht sich zu mir und sieht mich mit seinen Katzenaugen unglaublich eindringlich an.

"Jaaa?" Er dehnt das ‘ja’….und etwas in dem Muster in seiner Stimme scheint mir künstlich…

" Bist du ein………………" …OOOPS!……. "…..ich mein….ähm. " In meinem Kopf rattert es.

Ich kann den ja wohl nicht einfach fragen! Was ,wenn er der mir einen Maskeradebruch vorwirft, wenn ich ihn pauschal frag. Ich lächle etwas schief. "….haben sie den Tag über gut geschlafen?" Dabei blicke ich ihn VIELSAGEND an.

Er blickt nicht ganz so vielsagend zurück.

"Ich war arbeiten. Was denkst du denn?" Er beugt sich etwas zu mir runter, weil ich ja nicht sonderlich hoch bin um mich genauer zu betrachten. Etwas in seinen Augen…passt nicht. Immer…immer wenn er..blinzelt…schwimmt…..da etwas….das… Oh ne oder?

" Das sind ja falsche Augen…."sag ich, eigentlich mehr zu mir selbst.

Seine Mimik verdreht sich etwas, so wie seine Augen..

"Rauch nicht so viel Crack und lass mich in ruh. Klar?"

Dann schnappt er sich ein Glas vom Tresen und verschmilzt in dem allgemeinen Schwarz.

Ich empfinde tiefe Enttäuschung.

Langsam drehe ich mich rum und betrachte alles. Der Lärm verwandelt sich in eine Melodie, ich will sagen…Musik. Düster…aber nun ja. Gut. Das zucken wandelt sich, wie die Töne in ein harmonisches Wiegen. Wenn ichs mir so recht überlege, dann könnte das hier auch….einfach …ein…Tanzlokal sein. Es ist sogar fast naheliegend. Ich streiche mit beiden Händen über mein Gesicht und mein Denken damit weg.

Natürlich ist es….eine…Diskothek. Der Typ an der Tür, ist ein Türsteher. Es ist so offensichtlich dass ich zu kichern anfangen muss obwohl diese Enttäuschung in mir, mich eigentlich weinend machen will.

Was der Denker denkt, wird der Beweisführer beweisen. Nicht wahr?

Ich will Vampire sehen, also sehen ich welche! Das versteht doch jedes Kind. Ich lache absurd. Es ist ja auch absurd. Da blicken mich die Leute schon an und einige schütteln ihren Kopf und rollen die Augen wie der Mann mit den falschen Au……mit den…Kontaktlinsen.

Ich würd ihnen gern erzählen, was ich so witzig finde, aber sie würden es nicht verstehen.

Während ich so dasteh, fällt plötzlich ein Weibchen halb auf mich…hält sich an meiner Schulter fest und lächelt mich an. Mann hat die große Pupillen.

"Hey du…!" Ihre Stimme klingt etwas verschoben…irgendwie sympathisch." Dein Sachen sind ja voll Revival!" Kichert sie. Und weil sie kichert, kichere ich mit. Der schwankende Druck auf meiner Schulter lässt mich vermuten, dass sie etwas getrunken hat. Sie hat ganz enge schwarze glänzende Sachen an. Und vermutlich hat sie Probleme wegen ihrer Größe. Wenn ich es richtig sehe, dann müssen die Sohlen ihrer Schuhe bestimmt 10cm Dick sein und dann noch nen Absatz. Herrje, kein Wunder dass sie wankt!

Sie schmiegt sich noch etwas näher an mich und das beunruhigt mich schon fast. "Hey süße, du gefällst mir!" Haucht sie mir ins Ohr und der Unterton in ihren Worten verwirrt mich geradezu. Es klingt ein wenig wie CHAMP der Hunger hat – nur weicher.

In meiner Verwirrung fällt mir nichts besseres ein als: "Warum?"

Ihre Finger krallen sich bei mir ein, als sie den Halt zu verlieren droht. Das fühlt sich…..

"….du bist anders als die anderen hier.." Flüstert sie und sieht mich dann an. Ihre Augen machen mich echt fertig. Es ist so etwas unstetes darin, als würde sie tausend Dinge zugleich denken, und weil sie soviel denken muss, hat sie keine Kontrolle mehr über ihren Körper. Das verstehe ich. Ich verstehe sie. Und sie- erkennt mich?

Mit einer ihrer Hände kramt sie umständlich in ihrer Hosentasche…dann drückt sie mir etwas in die Hand. Ich löse mich von ihrem Anblick und betrachte fragend die weissen flachen Kugeln in meiner Hand. Sehen aus wie Kopfwehtabletten. " ..Probier und flieg mit mir!" Tuschelt sie mir zu und beisst…BEISST mich ins Ohrläppchen. Das kann ich nicht einordnen und weiche abrupt zurück. Dabei entziehe ich ihr den Halt und sie kippt einfach um, auf den nächstbesten Tisch, geradewegs in die Gläser….der Tisch fällt..nebst den Gläsern und sie mitten drin….und dann….dann kriechts und kratzt es in mir, denn ich rieche rieche..menschen……blut…. So unerwartet verdreht es mir den Kopf und ich will die Zähne fletschen und sie fressen. Ich tus nicht. Äusserlich tu ichs nicht. Aber in mir…bin ich schon bei ihr..bin ich schon in ihr…und trinken von ihr….in meinem Leib da wohnt ein Tier…. Mein linkes Auge beginnt zu zucken, weil ich versuche, die Bilder aus meinem Kopf von der Realität um mich herum zu unterscheiden…

Sie liegt vor mir, kleine Schnitte in ihren Händen in ihren Armen, die ihre Haut rot malen.

Ein Markerschütternder Schrei holt mich in ihre Wirklichkeit zurück.

Sie schreit. Sie starrt mich an und schreit wie am Spieß.

Panik. Habe ich etwas gezeigt, was ich nicht hätte zeigen dürfen?

Meine Hand ruckt an meinen Mund. Alles fühlt sich normal an.

Für einen Aussenstehenden mag mein Anblick betroffen wirken. Als wäre ich entsetzt darüber was ihr passiert ist.

In meiner Wirklichkeit bin ich nur erleichtert.

Der Typ von der Tür kommt herrein, latscht geradewegs auf die Frau zu und verpasst ihr mit der flachen Hand eine Ohrfeige, die sie auch tatsächlich zum schweigen bringt.

"Verdammt Soli, lass das Zeug endlich sein!" Zischt er ihr zu und zieht sie hoch.

Sie starrt mich noch immer an. " Die ..die….sie…."stammelt sie.

Der Türsteher dreht sich um, sieht mich an….ich sehe genau, wie er mich erst nicht kennt, dann langsames Aufflackern von Erinnerung..dann zieht sich seine Stirn kraus.

"Hab ich dir nicht gesagt dass du hier – so – nichts zu suchen hast? Zieh Leine!" Echte Bedrohung. Er meint ernst was er sagt. Ich nicke wortlos und weiche zurück.

Dabei lese ich sie. Soli, wie er sie nannte. Wirre stark leuchtende Farben. Sie hat Angst. Das sieht…sehr schön aus. Und weil ich des Malers Tochter bin und Schönheit zu schätzen weiß…..male ich sie…noch ängstlicher – ihre panischen Schreie begleiten mich nach draussen und ich verspüre einen Hauch von Befriedigung.

Viel neues gelernt….aber keine Vampire.

New York ist so…fremd…so anders…so unruhig….ich glaube ich mag es nicht. Mein Versagen nagt in meinem Bauch und ich bade in diesem Gefühl als würde es mich heilen. Ich hasse mich dafür. Ich beneide Soli. Ich neide ihr, dass ich sie malen kann…und mich nicht. Ich schreie nicht. Ich kann mich nicht lebend machen.

Ich sehne mich nach meinem Vater, er würde die seltsame Gier in mir stillen.

Böse Eva.

Böse Stadt.

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