13.Eva und die Unschuld

Meine Schritte führen mich auf dem roten Teppich Richtung Bad. Der besondere Gast des Abends. Mein Kopf hoch erhoben, einen dezenten Hüftschwung wie es einer Dame wohl zu Gesicht steht. Ich muss meine Frisur neu machen, seit dem Schusswechsel eben hab ich ganz deutlich das Gefühl etwas wäre damit nicht in Ordnung.

Ich habe eine Laufmasche in meinen antrahzitfarbenen Nylonstrümpfen – am rechten Unterschenkel , seitlich….irgendwie ruiniert sie das ganze Outfit.

Meine Hand legt sich auf die Türklinke, welche ich gleich drücken werde um das Bad zu betreten, die Fingernägel sind farblos lackiert und zurechtgefeilt – so sieht es gut aus.

Edward sagt ich wäre unschuldig.

Begriffsklärung I :

Unschuld

Der Begriff Unschuld beschreibt den Zustand eines unwissenden, unbekümmerten, ahnungslosen, naiven und auch einfachen Menschen, dem man infolgedessen nichts vorwerfen kann. In der Regel gelten vor allem Kinder als unschuldig.

Ich möchte ihm das glauben. Ich will seiner Meinung sein. Edward ist klug und würde mich nicht anlügen. Die Türklinke gibt meinem Druck nach und einen Augenblick später betrete ich das Bad. Alles ist gleich, oben wie unten – meine Finger finden ganz von selbst den Lichtschalter. Die Neonröhre über dem Spiegel flackert einmal, zweimal…manchmal dauert es einen Moment länger bis die Drossel zündet und das Gas glimmen kann…Ich zucke zusammen..blinzel, natürlich ist hier _keine _ Neonröhre sondern ein vernünftiges edles Licht. Einbildung ist auch eine Bildung.

Einbildung – das ist der Zustand vor der Erkenntnis…nein?

Begriffsklärung II:

Unschuld in der christilichen Religion

Die Bibel beschreibt den unschuldigen Zustand Eva im Paradies, die sich ihrer Nacktheit nicht schämt und auch noch keinen Begriff von Moral hat. Dieser Zustand währt nur so lange, wie Eva sich an die Mahnung Gottes hält, nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Mit dem Verstoß gegen dieses Gebot verliert sie theologisch betrachtet ihre Unschuld und es wird die Erbsünde eingeleitet. Eva erkennt sich selbst, und erkennt, dass sie nackt ist. Die Vertreibung aus dem Paradies ist letztlich die Konsequenz.

Auf den Fliesen klacken die Absätze meiner hohen Schuhe. Es sind nur zwei drei kleine Schritte bis ich vor dem Spiegel stehe er wartet schon auf dich um mir ein Bild von dem Desastert in auf meinem Kopf zu machen. Ich muss die ganze Zeit an meine Laufmasche denken, an Edward und die Märchen. In Märchen verlieben sich die Prinzen immer nur in unschuldige Töchter. Nur die fleissige, brave Tochter wird von Frau Holle mit Gold überschüttet und nur jene die auch 100 Jahre in ihren eigenem Dornengestrüpp hadern werden am Ende wachgeküsst. Schneewittchen, Schneewittchen lass dein Haar herab, denn im Spiegel des Königs, der immer die Wahrheit sagt findest du kein Heil mehr. In Märchen ist es immer einfach und klar und ich weiß sehr wohl, dass sie wahr sind…die Märchen..und ich weiß auch…was das bedeutet…

Begriffsklärung III:

Unschuldige Charaktere in der Literatur

Die Unbefangenheit Unschuldiger war schon früh ein Thema der Literatur. Häufig sind es sehr naive Charaktere, die aufgrund ihres reinen Herzens ganz besondere Aufgaben zu erfüllen haben. Oft ist diese Unschuld gepaart mit einer spontanen Weisheit, die die besondere Persönlichkeit einer solchen literarischen Figur ausmacht. Beispielsweise gilt Eva in des Malers Märchen aufgrund ihres mangelnden Realitätssinnes zwar als Tor, aber sie wird gerade auch deshalb als Auserwählte erkannt, welche die Welt zu verändern vermag

Mir sind irgendwie die Knie weich, als hätte ich etwas schlechtes Getrunken, oder als würde mir das Bewusstsein schwinden wollen. Etwas stimmt nicht. Es muss die Laufmasche sein..oder meine Frisur, ich sollte sie endlich richten – die Fehler an mir korrigieren. In meinem Kopf geistert ein Gespräch, dass schon schrecklich alt ist. ..das X markiert den Punkt…meine kleine Eva…du wählst und ich…Das Gefühl von Übelkeit intensiviert sich, ich stütze mich vornüber mit beiden Händen an dem Waschbecken vor mir ab. Es ist wunderschön weiß und glänzend und rein.

Ich könnte kotzen.

Begriffsklärung IV:

Die Farbe der Unschuld

Der Unschuld entspricht im europäischen Raum die symbolische Farbe Weiß, wie beispielsweise die Redewendung „weiß wie die Unschuld“ und das bei einer kirchlichen Hochzeit traditionell getragene weiße Brautkleid verdeutlichen. Der weiße Arztkittel soll in diesem Sinne Sauberkeit und Güte verkörpern, die weiße Taube symbolisiert den Frieden. Weisse Waschbecken dienen im Allgmeinen zum Verhöhnen ignoranter Mondkinder.

Ich kannst nicht mehr ansehen, dieses strahlende weiß. Rot sollte es sein. Rot! Was für ein Blödsinn. Ich BIN unschuldig, ich habe im Recht gehandelt – es ist gut wie es ist. Ich habe nichts verloren, ich wartete in meinem Turm auf meine Rettung, so wie Edward es sagte. Ja. So ist es und nicht anders. Jetzt…jetzt werde ich meine Frisur neu stecken ..Fassadenrestaurierung und dann hole ich mir neue Strümpfe.

Tief Luft holen..eins…zwei… Noch ein kurzes Zögern, dann hebe ich den Kopf in der Erwartung vom Blitz getroffen zu werden. Mein Spiegelbild wird mir entgegenspringen und mir die Wahrheit ins Gesicht schreien. Es wird mich zereissen, bis nichts mehr von mir über bleibt und ich werde nicht länger die Kraft haben mich meiner Illusion hinzugeben. Doch als ich mich ansehe…..geschieht nichts…..garnichts. In dem Spiegel, da ist einfach nur mein Abbild, das mich erwartungsvoll ansieht…etwas verstört vielleicht…ein..ein bisschen trotzig…ihre Haare sind durcheinander..ein wenig.Irgendwie..irgendwie sieht sie sogar weich aus..fast niedlich…. Aber sie lacht mich nicht aus, sie beschwört keine Bilder hervor, die ich nicht sehen will. Ich kann es nicht fassen. Ich soll ungeschoren davon kommen?

Irgendwie….sieht sie…weich aus…fast niedlich…unschuldig..als hätte man sie gerade vom Schlafen geweckt, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Jemand den man in den Arm nehmen und schützen will, behüten.. sei auf der Hut

Etwas in mir will schon aufatmen, als mich der Baum der Erkenntnis frisst und ich aus dem Paradies falle, weil ich in des Königs Spiegel tatsächlich die ungeschminkte Wahrheit sehe und das zu verstehen lässt mir mein Herz wirklich brechen. Meine ach so gepflegten Fingernägel graben sich ins unschuldige Prozellan, doch es will nicht bluten. Ich sehe wie die Frau im Spiegel ihr Gesicht verzerrt, weil sie beginnt zu verstehen…

Begriffsklärung V:

Unschuld als sexuelle unberührtheit

Umgangssprachlich wird heute in erster Linie als unschuldig bezeichnet, wer in sexueller Hinsicht noch unberührt oder „jungfräulich“ ist. Auch keusche Frauen und Männer, die aufgrund ihrer Tradition bewusst auf sexuelle Handlungen verzichten, werden in ihren Gesellschaften als rein und unschuldig angesehen.

…ich will nicht wissen, was ich weiß, ich will nicht fressen was ich beiss…es soll raus aus meinem Kopf aus meinen Gedanken, ich will nicht erkranken, ich will nicht erkennen, ich will rennen, rennen, rennen mich trennen von diesem Monster Ungestüm, ich will es zähmen, will es schlagen, wills nicht weiter in mir tragen, ich will mich biegen, ich will fliehen ich will in aller UNSCHULD ziehen. Verstehst du mich? Ich war es nicht!

Panisch rund geht's in mir zu, nein ich finde keine Ruh' es kann und darf nicht wahrheit sein, ich bin mit dieser Schuld allein, niemand straft mich, niemand tadelt, ich sei durch meine Tat geadelt.

Es knotet sich in meinem Kopf du armer Tropf du armer tropf… ich armer Tropf...die Haut so weiß wie Schnee, die Lippen so rot wie Blut, das Haar so schwarz wie ihr totes krankes Herz. wie soll ich jemals ruhe finden? Meine Hand schlägt mir ins Gesicht, der Spiegel bricht und teilt mich in tausend und mehr Facetten, so gebrochen wie ich bin, der Drang in mir die Scherben zu nehmen und meine Haut zu zerteilen ist so groß, doch er wird's nicht gerne sehen ...aber dann bekämst du was du verdienst…eine Strafe…sündenfrau! ..der widerspruch zu offensichtlich…wie könnte ich das tun..es wäre…so tumb…aber wie…wie sonst…wenn nicht durch … brennenden, verzehrenden, bekehrenden Schmerz könnte ich wieder ins reine mit mir kommen? Mein Blick fällt auf eine schöne große Scherbe..Handbreit…jetzt weiß ichs. Ich weiß wohin sie gehört, damit alles wieder gut wird. Vorsichtig nehme ich sie aus ihrem Verbund und in meinem Gesicht fehlt plötzlich ein Stück, dann schließe ich die Augen..bei der Vorstellung wie es sich anfühlen wird…da wird mir schlecht vor Angst. Aber nicht weniger Schmerz hab ich verdient…im Gegenteil. Ich hab heut meine Unschuld verloren, dass….das lässt sich auch realisieren….nein?

Begriffsklärung VI:

Unschuld

Als Unschuld bezeichnet man gemeinhin den Zeitraum, bis Eva zu verstehen beginnt, dass die Guten nicht siegen und das Böse nicht bestraft wird. Die siebente Regel…es gibt keine Regeln..nur die erste und die heisst…lass dich nicht erwischen.

20 Minuten später verlasse ich das Bad. Meine Frisur sitzt perfekt. Die Strümpfe habe ich entfernt und weg geworfen. Mein Kopf hoch erhoben, sind meine Schritte weich und elegant, wie es einer Dame wohl zu Gesicht steht.

..jeder Schritt ist die Hölle...

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