10.Eva tanzt

Das 'Art of Noise' die erste Diskothek die ich in New York besuchte. Seinerzeit wollten sie mich nicht einlassen, weil ich so mausgrau 'not in dress' war. Das liegt schon lange zurück. Ich habe mich angepasst. Es gibt Menschen, die behaupten Anpassung wäre etwas für Schwächlinge – rein evolutionstechnisch ist Anpassungsfähigkeit direkt proportional mit dem Überleben einer Spezies gekoppelt.
Die Absätze meiner schwarzen Stiefel klacken auf den steinernen Stufen, die mich hinabführen in den Keller, in welchem die Musik spielt. Ein schiefes Lächeln huscht über meine Lippen, man würde mich nicht erkennen. Weder seh ich aus wie Eva noch wie Miss Denk. Das schwarze Latexkleid ist lang und eng – mit einem Rückenausschnitt der schwerlich tiefer sein könnte. Spektakulär, will man sagen, doch hier füge ich mich völlig in das vorherrschende Bild. Trotz meines gewagten Äusseren verschwinde ich förmlich unter den Anderen Anwesenden. Normalität wird durch die vorherrschende Masse bestimmt.
Die schwere Holztür öffnet sich.
Die schwere Holztür schließt sich.
Dann habe ich bezahlt und stehe schon auf dem roten Teppich der kleinen Vorhalle. Ich atme die Menschen um mich herum ein. Wie ich nur jemals glauben konnte, es wären Vampire. Ihnen fehlt jegliche Erhabenheit, in jeder Geste, in jedem Blick erkenne ich ihre Unsicherheit. Ich sehe, warum sie Masken tragen, verstehe warum sie im Schwarz ihrer Gedanken versinken und es ist so absurd, wie sich manche von ihnen danach sehnen so zu sein wie ich – denn sie würden keine Nacht überleben, sie würden an ihrem Unleben zerbrechen.
Sie schminken ihre Haut blass, doch kein Make up der Welt, kann sie so malen wie ich bin.
Tot
So tragen wir alle unsere Masken, denn ich zwinge das Blut unter meine Haut, um mir den Hauch von Leben zu verleihen.
Meine Schritte führen mich weiter, durch die Flügeltüren hindurch, an der Bar vorbei, zwischen den Säulen auf die Tanzfläche. Eine kleine Drehung nach links und ich sehe mich selbst in der Spiegelwand, welche den Raum wohl einfach größer machen soll. Vielleicht ist es einer der Gründe, warum ich so gern hier tanze. Ich kann sie dabei beobachten.
Ein Lied fließt in das nächste, sie fließen in mich hinein, ich sickere aus mir heraus und sehe im Spiegel wie der Körper, der mich beherbergt beginnt sich zu bewegen. Ganz im Takt und doch fügt es sich nicht zu den Anderen Tänzern, es ist nicht wichtig, ich tanze für mich – nicht für sie. Das tanzen ist mir ähnlich wie das Meer. Es löst mich von mir, verschafft mir Abstand und Überblick. Sie wiegt und windet sich im Takt, ihr Blick an ihr eigenes Spiegelbild geheftet, nicht in Eitelkeit, sondern wie im Zwang, als müsse sie sterben, würde sie wegblicken. Dabei ist ihr Gesicht so halb, so geteilt wie sie . Es dauert ein Lied, es dauert zwei Lieder, dann bewegen sich mit ihrem Körper auch ihre Lippen. Im stummen Zwiegespräch, verrät sie sich Geheimnisse, die sie nicht wissen wollte. Erkenntnisse schaffen sich ihren Weg und werden mit dem verklingen der Musik wieder in die Tiefe versinken, aus welchen sie empor kamen. Obwohl die Diskothek gut besucht ist, bleibt um sie herum ein gewisser Freiraum, als wolle da eben zufällig keiner stehen. Als würde man der jungen Frau eben den Raum gerne zugestehen wollen, den sie braucht. Keiner, der ihre Blick zum Spiegel bricht. Ich trag mein Herz in meinen Händen, Ich trag die Liebe unter meiner Haut …. in meinen Adern, ich könnt sie verschenken, doch gibt's nur eins was mich lieben darf ohne zu sterben. Der Tod Tod Tod.
Das Stroboskop verleiht allem eine gewisse Unwirklichkeit,als bestünde alles nur aus Moment aufnahmen. Sie sieht in den Spiegel, während sie sich denkt, als hinge ihr Leben davon ab. Sagte ich das schon? Ich trag die Seele in den Augen, die hinter dünnstem Glas nach draußen schaut …. Regel Nummer 3 : Alle Spiegel müssen brechen, Ich starr dich an bis du brichst.
Dieses Lied singt sich weiter, in ihre Ohren, in ihre Gedanken. Und während sie weiterflüster immerzu, zieht sich ein Lächeln dazu, dass nicht passen will und dennoch da ist. Ich will nicht eure Wände ziern……nein ein Pokal will ich nicht sein. Nicht für dich und nicht für mich, ich gehör nur meinem Tod. Tod. Tod… Es gibt nur eins, das mich zerbricht…wenn ich mich durch meine Augen seh,den Spiegel dreh, wenn der Wein sich selber trinkt und Wahrheit im Morast versinkt Ihre Augenlider wollen flattern, als könnte sie selbst sich nicht mehr ansehen. Die Bewegunen werden fahrig. Drogen. Why dring and drive, when you can smoke and fly? ..ich will mich einfach nicht verliern….doch dann ist es zu spät, Zu Spät! Zu spät..zu Spät! Zu spät..doch dann ist es zu spät… nein, eure Lieder sing ich nicht …ich bin wer ich bin und passe mich nicht an, ich lügending…ich bin so schwarz wie jeder hier, und singe mit. Ich tanze zu ihrer Musik auf ihrem Parkett Ihre Gestalt wirkt wie schwindelig, als hielte sie nur der Zufall aufrecht, ihre Lippen flüster flüster flüstern, als wolle sie die Geschichte der Welt neu erzählen. Scheherazade redet sich um Kopf und Kragen. Ich lebe immernoch…immernoch! ..nein? Ich gebe immernoch..immernoch! Tod, Tod, Tod. Ich taumle weiter…vorwärts…abwärts.. Im Chaos gibt es keine Kontrolle, Chaos gebiert Leben und Ordnung erstickt es. Nicht kann ohne das Andere sein. Die Hände heben sich, sie betrachtet sie im Spiegel ohne sich selbst aus ihrem Blick zu entlassen, als hätte sie Lepra und müsste mit eigenen Augen nicht sehen, wie sie Finger für Finger verfault. In meinen Adern fließt das blauschwarze Blut
Der Abstand um sie vergrößert sich, nicht bemerkenswert, es könnte, es könnte wohl auch alles Zufall sein. Einfach zwei drei Menschen, die keine Lust mehr haben zu tanzen. Eva tanzt für sie mit. Ich trag die Wahrheit auf der Zunge drum musst du hören musst du lauschen, hör mich flüstern, lass uns plauschen.. Ich trage nur das Schwarz, das mir gefällt..nicht auf meiner Haut, aus meinem Leib, in schwarzen Schlieren wie Teer von meinem Kopf, fließt es und teilt mein Gesicht entzwei. Ich trag auf meinen schmalen Schultern wie Atlas schwer die Last der ganzen Welt ..wenn sich das Muster offenbart, und mein Verstand nicht reichen will um das was ich sehe in Worte zu kleiden, dieser kleine Moment, als er mich tötete, bevor er mich mit seinem toten roten Licht erfüllte, da..da verstand ich…ich verstand es. Sie nickt sich zu, wissend, verzweifelt. Zwei junge Frauen nicht allzuweit neben ihr ratschen und lachen, am Rande der Tanzfläche stehend. Ihre Farben sind hell und grell und stark und.. Ihr seid so bunt und farbenfroh ihr seid das Licht In einer kleinen Bewegung sinkt ihr Kopf und stellt sich nur eine Winzigkeit schief, der Vorhang der ihr Antlitz bedeckt gerät ins Wanken. Die jüngere der beiden Damen sieht zu der eigenwilligen Tänzerin, ihr Lächeln verliert sich als würde ihr der Anblick die Laune verderben. ..ich wenns erlischt, ihr seid so positiv – ich GegenpolDas Lächeln in ihrem Gesicht wird einen Tick breiter, nicht schön, nicht weich…so viele Farben so viele, wenn man sie alle mischt, wenn man sie alle mischt, werden sie weiß. Das ist Physik. Die Ganzen Farben in den Ganzen Menschen, sie werden weiß..und sie tragen schwarz. ..ihr seid so grau, wenn man euch mischt
Sie kichert, es ist alles so unfassbar logisch. Alles so klar, jedes zufällig scheinede Detail ergibt in seiner Gesamtheit betracht wieder Sinn. Dinge, die sie sich erzählt. Was sie sich wünscht, was sie fürchtet, was sie begehrt und vermisst, was sie gern wär und was sie ist. Was sie erkennt und was sie meidet, woran sie erblüht und woran sie leidet, Tausenfach wiederholt in jeder Bewegung ihrer Lippen, die ihr ganz eigenes Lied tanzen. In ihrem Blick flackert es.
Erkenntnisse flüstern sich in ihr Fleisch, und sie trinkt das Wissen, das wie Blut aus den Wunden dringt…nur um es wieder zu vergessen, sobald sie wieder denken kann.
Doch jetzt tanzt sie.
Die junge Frau am Tisch rutscht vom Stuhl, ihr Ellbogen schubst ihr Handy vom Tisch…es schlittert ein wenig davon..die Frau folgt..bückt sich…erhebt sich..und entdeckt erst sich im Spiegel…dann Eva. Sie erstarrt, wie ein Reh in der Nacht auf der Straße,dass erschrocken ins Fernlicht blickt. Wer weiß, was sie treibt, als sie sich umdreht und einen Schritt auf sie zu tut. Näher ans Feuer, näher zum Schneewittchen.Drum sag mir…Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die irrste im ganzen Land?
Die Frau starrt Eva an und diese löst ihren Blick von sich selbst und findet sich in jenem der Betrachterin wieder. Schönheit liegt im Auge des Betrachters…..Monschein auch Nur eine Winzigkeit, dass die Iris sich bewegt. Mehr nicht.
Eva flüster sich weiter in ihre Welt.
Hände heben sich und zwingen sich einen Schrei unterdrückend auf den Mund. Die junge Frau krümmt sich, als würde sie gequält von einer Kolik. Ihre Freundin kommt, sie besorgt haltend. Zittern. Beben. Kopfschütteln. Verunsicherung. Eva tanzt.
..in meinen Adern fließt das mondscheinblaue Blut
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