12.Eva ohne Einsamkeit

Wer sich der Einsamkeit ergibt,
Ach! der ist bald allein;
Ein jeder lebt, ein jeder liebt
Und läßt ihn seiner Pein.

Ja! laßt mich meiner Qual!
Und kann ich nur einmal
Recht einsam sein,
Dann bin ich nicht allein.

Es schleicht ein Liebender lauschend sacht,
Ob seine Freundin allein?
So überschleicht bei Tag die Nacht
Mich Einsamen die Pein,

Mich Einsamen plagt die Qual.
Ach, werd ich erst einmal
Einsam im Grabe sein,
Da läßt sie mich allein!

Johann Wolfgang von Goethe hat das geschrieben, bin da zufällig drübergestolpert beim Bücherregal rekonfigurieren. Gerade eben grinsel ich noch über den Witz am Ende, als ich notgedrungen darüber nachdenken muss, ob es vielleicht mehr ist als ein..Scherz?
Was zum Kuckuck passiert denn, wenn einem die Einsamkeit im Stich lässt? Stetige Zweisamkeit?
Mit dem Buch in der Hand gehe ich zurück und lasse mich auf den Sessel sinken.

Im Tod ist jeder allein? Ich weiß noch wie ich am Grab meiner Mutter stand…all die schwarzen Kleider um mich herum, die roten Augen und weissen Taschentücher Schneewittchen lässt grüßen Damals ging ich ein Stückchen zurück, niemand hielt mich davon ab. Ich armes Kind musste schließlich den Tod meiner Mutter verarbeiten, da reagiert man schon mal irrational. Aber ich war garnicht irrational, ich wollte es nur im Ganzen sehen, all die vielen vielen Menschen, viele von ihnen hielten sich an den Händen um sich Trost und…ja Nähe zu vermitteln. Viele Hände fanden meine Schultern. 'Tut mir leid Eva' 'Es geht weiter Eva' ' Du wirst es schaffen Eva' Ich nickte immer und konnte ihre Trauer nicht teilen, nicht so. Natürlich fand ich es nicht so schön, dass der Krebs meine Mum gefressen hat, aber sie ist ja nicht aus der Welt, sie ist ja nur raus aus meiner Wahrnehmung, dass wusst ich schon damals. Ich fühlte mich von ihr getrennt, aber nicht wirklich verlassen. Ich fühlte mich nicht einsam, wie mein Vater. Er war der Einzige unter all den Trauernden, der einsam war. Sowas sieht man am Blick, der ist dann nach innen gerichtet, weil der Einsame sich laufend ohne Erbarmen, mit jenen Bilder quält, die aus einer besseren Zeit stammen, wie schön es war, und wie nah wir waren und jetzt…ohne dich schlaf ich heute nacht nicht ein.
Niemand ist einsam, man macht sich einsam in dem man sich vom Rest der Welt weg denkt.
So ist das.
Darum bin ich nie einsam.
Ich war es nicht, als Mutter starb, ich war es nicht als Karsten starb, ich war es nicht als Herr Kreisel starben, nicht als mein Vater starb, nicht als ich starb, und nicht als Jasmin starb und auch danach nicht. Ich trage mich immer in mir und es dauert nur einen Moment, dann löse ich mich in allem auf.
Nur wenn mein Tod stürbe….der Gedanke hinterlässt ein arges Knirschen in meiner Brust, so als würde jemand meine Rippen zusammenquetschen bis sie brechen.
Es ist ein widerswärtiges Gefühl und ich genieße es in allen Zügen.
Tatsächlich wäre es mir ein Leid, wenn er von mir ginge, aber…aber das praktische am Tod ist, dass er nur schwerlich stirbt.
Entschlossen erhebe ich mich wieder und bringe das Buch zurück zum Regal. Ich habe keinen Bedarf weiter darüber nachzudenken.
Einsamkeit betrifft mich nicht, ich bin zu verschoben um sie zu empfinden.

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