14.Eva von der Anderen Seite

Ich weiß wo dein Haus wohnt.
Es ist nur ein Tag vergangen.
Es ist eine Nacht später.
Ich stand auf. Ich habe ausgiebig geduscht und mir einen der grauen Röcke angezogen, welche ich so sehr mag. Ein passend dunkelgraues Strickoberteil. Turnschuhe und das Haar so wie es gehört lang und offen, mein halbes Gesicht verdeckend.
Ich verließ das Haus wie in vielen Anderen Nächten auch – zumindest augenscheinlich.
Seit ich aufstand, sprach ich kein Wort. Als hätte ich ein heiliges Gelübde abgelegt, an welches ich mich halten müsste, um das zu tun, was unter meiner Oberfläche brodelt. Dieses Gefühl aufzustehen und nicht ganz man selbst zu sein.
So fühle ich mich seit ich auf dem Weg zu ihr bin. Ungesehen von der Welt. Nicht das es wichtig wäre, ob mich jemand sieht. Ich will nicht wahrgenommen werden, weil ich es nicht gewesen sein werde.
Meine Hände sind leer wie mein Verstand. Ich plane nichts, ich weiß nicht was geschehen wird, ich weiß nur – dass ich sehr böse mit ihr bin. Vielleicht will ich mir auch nur mal ansehen wie sie wohnt. Ich habe ihre Motivation überdacht – sie wollte sich an mir bereichern, darum hat sie mir ihre Visitenkarte gegeben. Darum hat sie mir davon erzählt wie tot ich bin. Rücksichtloses Stück Fleisch, nur gierend nach Geld, ohne Rücksicht auf deine Gefühle…sie ist schuld…sie ist böse…ein schlechter Mensch. Sie wird sich an mir bereichern. Ich werde sie beschenken mit meinem Reichtum.
Der Weg zu ihr ist lange. Einmal Bahn, einmal Bus, ein paar Straßen zu Fuss. Sie wohnt in einer guten Gegend mit ihrem guten Mann, der sie liebt und mit ihr magisches Leben erschafft Meine linkes Auge zuckt kurz, als wäre mein Sehmuskel über längere Zeit überansprucht gewesen.
Schließlich stehe ich vor einer posierlichen Garten Türe. Daneben ein Schild.
'Dr. Friedrich Behrens und Martha Behrens ' Herr Doktor und Frau Hebamme
Die Gegend IST gut. Die Gartentüre ist nicht abgeschlossen und so betrete ich ungehindert den Garten. Seltsam fremd fühl ich mich, wie in einem Traum. Der Garten ist umringt von Grünen Bäumen und Büschen. Nippes. Griechische Statuen die Wasser spucken. Blut wirst du spucken
Im Schatten einer Weide, zwischen deren hängenden Zweigen stehe ich nicht unweit der Terassentür.Sie ist halbgeöffnet und bietet Zugang zu einer hübschen großzügigen Wohnküche. Die Reste des letzten Essens stehen noch auf dem Tisch. Töpfe auf dem Herd. Nicht abgespültes Geschrirr in der Spüle und auf der Ablage. Das Licht ist gedimmt und Frau Behrens sitzt alleine am Tisch und raucht.
Und ich wir beobachten sie dabei. Zwei Zigaretten später betritt ein älterer erstaunlich attraktiver Mann mit grau melierten Schläfen die Küche. Er verzieht demonstraiv das Gesicht und seine dunkle Stimme klingt klar und deutlich aus dem Haus raus zu mir.
“..ich habe dich doch gebeten nicht im Haus zu rauchen..” In der ersten Instanzt hört er sich höflich an, in der zweiten genervt und belehrend, was mehr noch als die Worte ansich darauf schließen lassen, dass sie das folgende Gespräch nicht zum erstenmal führen.
“..draussen ist es mir zu kalt.” erwidert sie, augenscheinlich ebenfalls höflich und unterschwellig ebenso empfindlich auf dem Thema.
“..Es ist Sommer.”
“Es ist Frühling…”
“Ich möchte nicht das Felix deinen Gestank in seine jungen Lungen atmen muss.”
“Felix…” Frau Behrens lässt eine bezeichnende Pause im Raum stehen. “ liegt seit 5 Stunden oben in seinem Bett und schläft in aller Ruhe. Du musst dir also keine Sorgen um dein Kind machen.”
Herr Behrens nimmt eine Zeitung auf und setzt sich zu seiner Frau an den Esstisch, er schlägt eine Seite auf und macht dann Anstalten sie kurz abzulegen…ohne jedoch auf anhieb platz zu finden.
“….du solltest lieber aufräumen anstatt zu rauchen.”
Frau Behrens sieht auf und ihren Mann an und ich erkenne sogar von meinem Platz aus, dass sie seine Nörgeleien satt hat.
“…DU..könntest auch mal aufräumen.”
“..ich arbeite den ganzen Tag…” erwidert er ruhig.
“…ach und ICH NICHT?” Ihre Stimme erhebt sich und überschlägt sich kurz. Es herrscht Stille, die Sekunden später von leisem Kindergeschrei durchdrungen wird.
“…siehst du, durch deine aufbrausende Art und Weise hast du Felix geweckt. Sehr gut Martha.” Herr Behrens erhebt sich mit seiner Zeitung und verlässt im gerechten Zorn die Küche.
Seine Ehefrau drückt entnervt die Zigarette aus …verschwindet …und erscheint Minuten später mit ihrem gesunden lebendigen Kind ihrem Sohn in der Küche. Diesen sorgsam mit sich tragend und wiegend, auf das er müde wird und bald wieder schläft.
Ich blinzel.
Das Kind schreit nicht, weil es laut war. Das Kind schreit, weil es den Zorn und die Abscheu in den Stimmen der Eltern vernahm. Kinder sind sensibel, sie haben Angst, dass sie ihre Eltern verlieren, wenn sie sich anschreien. Sogar, wenn sie so jung sind, dass man sie noch auf den Armen tragen kann.
Armer Felix
Martha dreht mir den Rücken zu und Felix sieht über die Schulter hinweg zu mir. Eigentlich kann er mich nicht sehe, aber ich hebe trotzdem die Hand und winke ihm zu….freundich, weil ich ihn verstehen kann.. Martha dreht mir den Rücken zu und Felix sieht über die Schulter hinweg zu mir. Eigentlich kann er mich nicht sehe, aber ich hebe trotzdem die Hand und winke ihm zu und krieche in sein kleines Kindergehirn und schaffe für ihn die Möglichkeit die Situation so drastisch einschätzen zu können wie sie vermutlich sein könnte. Er könnte allein sein, ganz allein auf dieser Welt, weil seine Eltern sich anschrein
Felix schreien wird lauter, als säße er auf brennenden Kohlen. Drängend..um Hilfe suchend wohl. Die Mutter wiegt ihn beharrlich, vielleicht ein wenig zu heftig, aber das mag man ihr verzeihen.
Felix schreit.
“…VERDAMMT BRING DAS KIND ZUM SCHWEIGEN!” brüllt ihr Mann aus irgendeinem Teil des Hauses. Ich höre es laut und deutlich. Martha stapft mit dem Kind zu einer der Türen.
“…MACH ES DOCH SELBST, ES ICH AUCH DEIN KIND!” entgegnet sie nicht minder laut.
Felix schreit lauter.
Oben knallt eine Türe und die Hebamme Hebammen haben ein Händchen für Kinder und können gut mit ihnen umgehen setzt ihren Jüngsten mehr oder minder zärtlich auf dem Stuhl ab, auf dem sie gerade noch saß und entzündet sich eine neue Zigarette. Ihre Hände zittern als sie diese zu ihren Lippen führt um das beruhigende Nikotin aufzunehmen.
Felix schreit.
“Sei endlich ruhig Felix !” bemüht darum Ruhe zu vermitteln, klingt ihre Bitte an das Kind mehr genervt als beruhigend.
Felix schreit.
Ein Zug. Zwei Züge. Drei Züge.
Felix schreit.
Martha schlägt mir der freien Hand auf den Tisch. Das Geschirr klirrt. Für einen Augenblick schweigt der Sohn – nur um um so lauter von neuem zu Beginnen.
“Sei STILL!” schreit sie nun ihrerseits das Kind an, wirft die Hände in die Luft. Die Zigarette fällt, Martha hebt sie auf und weil der Abend ist wie er ist, und weil der Abend läuft wie er läuft fasst sie sie verkehrt rum auf und nimmt den nächsten Zug mit der Glut vorraus.
Ein leiser Aufschrei an Schmerz. Die Zigarette fällt auf das Kind.
Ich tu einen Schritt nach vorne…neugierig und trete auf ein Spielzeug das hupt.
Martha hebt ihren Kopf und sieht aus dem Fenster. Zu dunkel, als dass sie mich sehen könnte, selbst wenn ich aus den Schatten gefallen wäre. Von drinnen nach draussen sieht es sich schlecht. von draussen nach drinnten sieht es sich gut.
Felix kreischt.
Ich sehe ihr Gesicht im Stress entgleisen, lächel schief und hebe meine Hand um ihr zu winken. Ich sehe ihr Gesicht im Stress entgleisen, lächel breit und hebe meine Hand um ihr zu winken..und um sie zu beschenken..versinken und ertrinken soll sie in ihrem jetzt schon so mächtigen unbeherrschten Gefühl. leiden soll sie für das was sie mir angetan hat…kosten von dem Tief, dass sie mir offenbarte..trink du luder..trink ….und als sie sich umwendet, hebt sie schon ihre Hand und schlägt dem Jungen so heftig ins Gesicht, dass er vom Stuhl fällt.
Er kreischt lauter.
Sie ergreift ihn..hebt ihn hoch und schüttelt ihn..brüllt ihn an er soll sein gottverdammtes Mundwerk halten. Oben geht eine Türe, Schritte auf Stufen.
Martha setzt das Kind zurück auf den Stuhl, doch so in Wut, dass der Kopf gegen den Tisch knallt. Ein Glaskrug fällt und splittert.
Die Mutter starrt die Scherben an.
Der Vater starrt die Mutter an.
Das Kind schweigt.
Eva – geht.
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